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Alles total groovy hier

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Titel: Alles total groovy hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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hinten mit dem Baum?«
    »Ein Ast ist abgebrochen und hat Leroys Stuhl kaputt gemacht. Scheint er persönlich zu nehmen, so was.«
    Sie fluchte gehaltvoll auf Spanisch. »Jedes Mal, wenn ich von einer Tour zurückkomme, haben sie hier eine andere Scheiße fabriziert.«
    Endlich fühlte mal jemand mit mir, und sei es nur, was den Baum anging. Ich nahm einen Schluck und spürte meine Nervenenden ihre Saugrüssel in den Gerstensaft stecken. »Wokommst du gerade her?, fragte ich. Sie riss sich los vom Anblick der verstümmelten Eiche, eine tiefe Falte zwischen ihren Brauen. »Las Palmas. Hin bin ich mit einer Gruppe Segeltouristen, hab von da ein paar Traveller nach Marrakesch übergesetzt und bin leer zurück. Hätte es wegen der verdammten Flaute fast nicht geschafft. Doch die Küstenwache hat mich aufgegabelt und mir Diesel verkauft. Und das Bier hier.« Dankbar für manche Fügungen des Schicksals nahmen wir jeder noch einen Schluck.
    »Bier von der Küstenwache?«, wunderte ich mich dann.
    »Yep«,sagte sie knapp. »Die kriegen ein monatliches De- putat. Mehr, als sie brauchen.«
    »Mann, Mann, Mann. Es gibt schon Traumberufe.«
    »Wohl wahr. Bombengehalt, todschicke Uniformen, ein superschnelles Schiff, so viel Bier, wie man nur trinken kann. Und für all das muss man nichts weiter tun, als teilnahms-und tatenlos Bootsflüchtlingen beim Ersaufen zuzusehen.«
    »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
    »Doch, leider.«
    Plötzlich kam sie zu mir rüber. Ich verschluckte mich leicht, hustete ein bisschen.
    Sie hatte Hüften, unter dem Overall. Und damit setzte sie sich genau die anderthalb Zentimeter näher an mich heran, die bei einer Frau den Unterschied ausmachen zwischen völliger Indifferenz und kaum noch zu bändigendem, libidinösem Verlangen. Lesbe? Ha!
    Blitzartig, sternschnuppenhaft, feuerwerksmäßig ging mir auf, was ich in letzter Zeit am meisten, am sehnlichsten vermisst hatte. Und vergiss >Bier<.Es war Nähe, Wärme, Wonne, Lust, es war Intimität, es war, was Johnny Rotten mal so prosaisch als >anderthalb Minuten feucht schmatzender Geräusche< beschrieben hat. Sie fischte eine verknüllte Packung Camels aus ihrem Overall, bot mir eine an, gab mir Feuer, und wir saßen einen Moment lang, rauchten schweigend.
    Ihre Lippen waren wie dafür geschaffen, sich um einen zylindrischen Gegenstand zu schmiegen.
    Ich schluckte. Schnickte Asche mit ganz leicht unsteter Hand ins Wasser. Wusste nichts zu sagen. Doch eines wusste ich mit Sicherheit: Was immer mir diese Frau gleich vorschlagen, was immer sie von mir verlangen sollte, ich würde zustimmen.
    Ruhig sog sie an ihrer Zigarette.
    »Ich hoffe nur«, meinte sie dann, fast beiläufig, »du kannst kochen.«
    Stirn auf dem Lenker, Arme eng am Körper, Bauch auf dem Sitz, Beine nach hinten gestreckt in einer aerodynamisch perfekten Symbiose von Mann und Maschine, so stach ich, aus der Sonne kommend, mit absoluter Endgeschwindigkeit durch die um die Mittagszeit verschlafene Siedlung. Kaum jemand schien auf den Beinen, mal abgesehen, heißt das, von dem rothaarigen Rächer, der mir zwei schmerzhafte Treffer beibrachte, dann war ich vorbei.
    Etwas bessere Beziehungen meinerseits zur Guardia Civil, und ich hätte sie ihm noch mal auf den Hals gehetzt. So aber würde ich selbst mit ihm fertig werden müssen. Dammich.
    Kartoffeln und Sahne und Muskatnuss, Strauchbohnen und Serrano-Schinken, Olivenöl und Rotwein und Suppengrün, Knoblauch, Salbei, Rosmarin. Und Bier, nicht zu vergessen.
    Lammkeule! Verfluchte Scheiße! Sie hatte aus Marokko eine Lammkeule mitgebracht. >Ichhoffe nur, du kannst kochen.< Gottsverdammich. Das mir. Ich bin Fast-FoodJunkie. Ich kann mir kaum selber eine Knifte schmieren, geschweige denn ein Drei-Gänge-Menü auf die Teller zaubern.
    »Klar doch«, hatte ich geantwortet. Und musste dann in das Wachhäuschen einsteigen und den Rechner bemühen für ein Rezept.
    Doch es gab ein Nebenprodukt dieses Einbruchs, das mich die Fahrt über mehr beschäftigte als die Zutatenliste und die Zweifel an meiner Fähigkeit, sie in ein halbwegs schmackhaftes Gericht umzuwandeln. Es war die Erkenntnis, dass die angeblich ach so wichtige Datenerfassung der Camper für die angeblich ach so hartnäckige Einwanderungsbehörde erst seit rund vierzehn Tagen vorgenommen wurde. Erst seitdem Schisser verschwunden war, interessierte man sich für Namen, Daten und Berufe von Neuankömmlingen. Als ob manjemanden erwartet hätte. Jemanden wie mich. Puerto Real erwies sich als

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