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Alles total groovy hier

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Titel: Alles total groovy hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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er. »Da sind sie!«
    Bevor ich auch nur raten konnte, wovon er sprach, hatte er das erste schon in der Hand, und ich sah zu meinem Verdruss, dass es sich nur um seine verdammten Eimergewichte handelte. Stück für Stück hob er sie ächzend aus dem Hänger und gruppierte sie in ordentlichen Reihen am Strand.
    »Abgebunden haben sie schon«, rief er mit dem Stolz einer Mutter angesichts der Fortschritte ihrer Sprösslinge.
    »Jetzt müssen sie nur noch aushärten.«
    Leroy trat auf mich zu, Kaftan bodenlang, Miene ernst, Hände vor dem Bauch aufeinandergelegt, Haltung feierlich.
    »Kristof«, sagte er und ließ eine bedeutungsschwangere Pause folgen. »Wir beide hatten keinen guten Start miteinander. Wahrscheinlich sind wir einfach vom Typ her zu verschieden. Ich für meinen Teil bin jedoch bereit, einen zweiten Anlauf zu versuchen.«
    Was, mal ganz im Ernst, sollte ich darauf antworten? Nachdenklich sog ich an meiner Zigarre. Das war alles, was ich wollte: rumhocken, paffen, eventuell mal am Rum schnüffeln und mich sammeln. In Ruhe. Doch die Welt schien entschlossen, mir auf den Sack zu gehen. Plötzlich verspürte ich einen Stich von Heimweh. Ich vermisste die Freiheit der willkürlichen Unerreichbarkeit in meiner Eineinhalb-Zimmer-Hucke, den Lärm und den Mief der Ruhr-City, sinnentleerte Monologe mit Hund, Katze, Nachbarin.
    Ich sah auf und sagte: »Du hast recht, Leroy. Wir sind zu verschieden.«
    Er nahm das hin. »Kann ich dich trotzdem um einen Gefallen bitten?«, fragte er. Ich blickte skeptisch.
    »Unser Wassertank oben auf dem Badehaus ist so gut wie leer. Hättest du Lust, nach Puerto zu fahren und einen Hänger voll Wasser zu holen? Wir haben Behälter dafür, die packen wir drauf, sobald Scuzzi mit dem Ausladen fertig ist. Ich würde zwar selber fahren, aber ich habe noch einen wichtigen Termin mit unserem Architekten.«
    Auto, Puerto, Hafenbar, dachte ich. Cool. Und: Hidalgo. Den könnte ich bei der Gelegenheit direkt mal in die Mangel nehmen. Perfekt.
    Dann sah ich mich im offenen Landrover sitzen, ungeschützt den Elementen ausgesetzt, angefangen mit einem Hagel von Steinen. Ein Scheißjob, den man mir da anzudrehen versuchte. Ich wollte ablehnen, doch Leroy kam mir zuvor.
    »Nimm Armand, Obutu und Friedrich mit. Als Leibwächter, sozusagen.«
    Kryszinski und seine persönliche Leibgarde. Ha!
    »Na gut«, sagte ich.
    Der asthmatische Austin-Motor keuchte vor sich hin, der Hänger mit den leeren Plastiktonnen tanzte im Rückspiegel, ich spielte mit Gaspedal und Lenkrad herum, wie ich es gern tue. Schwatzte mit meinen Mitfahrern, meinen neuen Freunden, jetzt, wo Leroy und Alma ihr Herz für mich entdeckt hatten.
    Friedrich war aus Namibia, erfuhr ich, Armand kam von der Elfenbeinküste und Obutu aus Kenia. Friedrich saß neben mir, dickwanstig und zufrieden, während die beiden anderen links und rechts auf den Trittbrettern standen, Körbe voll Kieselsteinen in Reichweite.
    »Ils jettent des pierres a nous, nous jettons des pierres a eux«, meinte Armand, als wir uns der Siedlung näherten.
    »They throw the stones at us, we throw the stones at them«, übersetzte Obutu.
    »Und wir werfen gut«, ergänzte Friedrich.
    Es war erstaunlich wenig los, entlang der Piste zwischen den Hütten, kaum jemand auf den Beinen, von vereinzelten Kids und streunenden Hunden einmal abgesehen. Ein paar halbherzige Steine kamen angesegelt, doch unser augenblickliches Echo ließ keinen wirklichen Hagel ausbrechen.
    Da hat man schon mal eine Leibgarde, und dann so was. Ich war regelrecht enttäuscht.
    Die Wasserzapfsäule stand unten am Hafen, gleich neben der Tankstelle. Ein Stück weiter den Kai hinunter umringte eine Menschenmenge einen Methusalem von einem Autokran, der sehr bedächtig irgendetwas aus dem Wasser hievte.
    Neugierig, ließ ich die drei pumpen und ging rüber. Inmitten der Menschenmenge stand Roman, grau im Gesicht, geradezu fahl. Als sein Blick auf mich fiel, erbleichte er um eine weitere Schattierung, ging fluchend auf mich los, und im nächsten Moment war ein ganzer Mob über mir, Männer wie Frauen, so unrasiert und hackfressig, wie man sie sich nur wünschen kann, die meisten alles andere als nüchtern und zum Fürchten hysterisch. Hände griffen, packten, zerrten, rissen, Finger gruben sich in mein Fleisch, Fingernägel in meine Haut, zogen Blut.
    Durch all den Tumult hindurch bekam ich nur schrittweise mit, dass es die Luna Negra war, die der Kran hob, und er hob sie vom Grund des Hafenbeckens.

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