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Alles total groovy hier

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Titel: Alles total groovy hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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auftauchte und Überfahrten auf Kredit anbot. Doch sie und fünfzig andere waren bereit, alles zu glauben, auf alles einzugehen, nur um wegzukommen von dem Wüstenstrand und den ständigen Überfällen der Mauren.
    >No babies<,hatten die Schleuser bestimmt, doch sie hatte die kleine Hope unter ihrem Wickelrock versteckt und war an Bord gelassen worden. Acht Tage waren sie auf See gewesen, acht Tage und Nächte, und vier Männer und zwei Frauen waren unterwegs gestorben, an Seekrankheit und Erschöpfung, und über Bord geworfen worden. Ich hockte da, hörte zu und fühlte gleichzeitig die Minuten wegtickern. Acht Tage und acht Nächte lang hatte Johanna es geschafft, in der unmenschlichen Enge an Bord ihre Hope vor dem Bootsführer versteckt zu halten und dann waren sie endlich da gewesen, in Europa. Ein Schlauchboot kam aus der Nacht, um sie alle an Land zu bringen, und jeder wollte der Erste sein, es war chaotisch. Dann fuhr das Schlauchboot davon, mit ihrem Bootsführer, und alle Zurückgebliebenen beteten, draußen, auf dem dunklen Ozean, beteten und beteten, und dann kam das Schlauchboot tatsächlich ein zweites Mal, und sie war so glücklich, alle waren glücklich, alle weinten vor Erleichterung, und dann entdeckte eine der beiden weißen Frauen ihre Hope, riss sie Johanna aus den Armen und warf sie einfach ins dunkle Wasser. Schluchzen brach aus, ringsum, und ich war wie vor den Kopf geschlagen, fassungslos.
    »But why?«, fragte ich, kaum Herr meiner Stimme.
    »Because women with babies don't seIl!«
    Eine Tür schlug, eine raue spanische Männerstimme bellte etwas, und ich wusste, ich war gefickt. Vorteil: Noch war das Licht aus. Noch könnte ich mich davonstehlen, den Hügel hochrennen und mit ein bisschen Glück den Zaun erreichen - und das Loch zuziehen und sichern, gottsverdammich -, bevor mich die Schäferhunde an den Hacken oder an der Gurgel hatten. Nachteil: Ich bin Fahrer, kein Läufer. Raucher und Trinker, kein Sportler, beim besten Willen nicht. Trotzdem, der Drang war da und nur schwer zu unterdrücken. Zweiter Nachteil: Ich hatte noch Fragen. Eine zumindest. Und ich grübelte jetzt schon ein paar Sekunden zu lang. Die zweite Männerstimme antwortete. Noch war keiner von beiden auf die Idee gekommen, nach dem Sicherungskasten zu schauen. Sie sondierten erst mal das unbeleuchtete Gelände mithilfe ihrer ... Schäferhunde. Ich sah den einen geduckten Schatten, wusste, auch der andere war von der Leine, hörte die beiden Wachleute ihre Kommandos brüllen, sah Vierschrot jetzt die Küchentüre öffnen und die Innenbeleuchtung einschalten und realisierte, dass mir nur ein einziges Versteck auf dem ganzen verfluchten Gelände blieb.
    Mit vier Sätzen war ich beim Container und hineingeflankt. Fliegen stoben auf, fette, schillernde Fliegen, in dichten Schwännen, und noch während ich die Klappe zuzog, wrang mir der Gestank den Magen aus und ich spie es von mir wie noch nie zuvor in meinem Leben.
    >Frauen mit Babys verkaufen sich nicht<, hatte Johanna gesagt.
    >Ihr selektiert<, hatte Alice geschrien. >Ihr selektiert. Wie an der Rampe von Auschwitz.<
    Und ein neuer Schwall brach sich Bahn.
    Sollte ich mich jemals auch nur ansatzweise abfällig über Fußball geäußert haben, ich nehme jedes Wort davon mit einem Ausdruck größtmöglichen Bedauerns zurück. Spiel der Götter, Fußball, für mich.
    Und das Beste daran ist die in ihrer Weisheit kaum zu überbietende Entscheidung, die Halbzeitpause auf fünfzehn Minuten zu begrenzen.
    Nur eine Minute länger, und ich wäre erstickt in diesem Stahlbehälter voll gärender Hundeleichen am Stück und in Einzelteilen.
    Die Tür zum Wachraum fiel ins Schloss, und ich stand draußen und trank die Nachtluft in langen Zügen, Kopf dabei weit in den Nacken gelegt, um möglichst wenig von dem an mir haftenden Kadavennief einatmen zu müssen.
    Vorteil: An die beiden Schäferhunde brauchte ich keinen Gedanken mehr zu verschwenden. Ich roch wie toter Hund mal hundert.
    Nachteil: Naja. Wie gesagt.
    Ich trat an Johannas Zwingertür, und sie schrak merklich zurück. Also nahm ich einen Schritt Abstand. Welche Frau, fragte ich. Welche Frau hat Hope ins Meer geworfen? Die Dicke, die halb Verrückte, mit dem wilden Haar? Die, die sie Alma nennen?
    »No«,antwortete Johanna mit fester Stimme. »It was the other one, the slim one. The pretty one, with the short dark hair.«
    Die andere. Die Schlanke. Die Hübsche mit dem kurzen, dunklen Haar. Deutlicher, eindeutiger ging es beim

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