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Alles total groovy hier

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Titel: Alles total groovy hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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gegenüber der Einfahrt zur Pa- radise Lodge hing ein einsames Münztelefon. Ich holte das Handy aus der Tasche - keine Anrufe, keine Mitteilungen - und tippte die Nummer ein, von der aus Schisser seinen letzten Anruf getätigt hatte. Das Münztelefon bimmelte.
    Gänsehaut.
    »Was ich nicht kapiere ... «
    Scuzzi war während meiner kurzen Abwesenheit von Vishna zur abendlichen Strandparty der Gemeinschaft eingeladen worden.
    »... ist, warum du nicht mitkommen willst.«
    Er tat sein Bestes, mich zu überreden, doch ich tendiere schon mal zu unschönen Kombinationen von Neid und Bockigkeit und wünschte ihm deshalb nur von ganzem Herzen viel Spaß und, als Nachgedanken, die Krätze an den Hals.
    Sobald er davongewackelt war, machte ich mich auch auf die Socken, strich ziellos umher, der Gedanke an Schisser immer dicht bei mir, der an Bier nie weit entfernt. Einmal eh am Telefon, hatte ich noch rasch Charly angerufen und ihn in ein paar knappen Worten darüber informiert, dass unsere Ortsfestlegung absolut präzise war.
    Knappe Worte deshalb, weil nach dem erneuten Aufflackern des Bandenkrieges zwischen Bandidos und Hell's Angels alle Biker-Klubs in den Generalverdacht der kriminellen Vereinigung geraten waren und damit unter Beobachtung durch gleich mehrere Dienste. Dieser Fahndungsdruck war mit einer der Gründe für die Pläne, hier in Südspanien ein Ausweichquartier zu schaffen.
    »Gut, Kristof. Ein erster Schritt. Was als Nächstes? Schon jemanden in die Mangel genommen?«
    »Nein. Keine Ahnung, wem hier zu trauen ist und wem nicht. Ich taste mich noch vor.«
    Schisser war verschwunden. Und ich wollte nicht, dass mir etwas Ähnliches passierte.
    »Wie du meinst. Pass auf dich auf.«
    Wir hängten ein.
    Petroleumfunzeln und -fackeln qualmten vor sich hin, die Bee Gees kehrten zurück nach Massachusetts, Grillen zirpten, Sterne funkelten, Kryszinski tappte durch das Dunkel.
    Am Strand hockten die Surfer in kleinen Gruppen um kleine Feuer herum, rauchten Dope, tranken Tee und redeten übers Surfen und nichts anderes. Schisser liebte das Meer, doch als Nichtsurfer, Nichtsegler und vor allem Nichtschwimmer liebte er es rein platonisch. Mit den Wellenreitern hätte er ungefähr genauso regen Gedankenaustausch abhalten können wie mit einem Fachkongress von Molekularbiologen. Aus der Gemeinschaftsküche der Gemeinschaft wurde ein dampfender Zuber zum Strand getragen, und obwohl man anbot, mir ein Schüsselchen zu füllen, lehnte ich nach nur einem Blick auf den grauen, bräunlich durchsetzten Reispamp dankend ab. Ich war ein paarmal mit Schisser im Steakhaus gewesen, und jedes Mal, wenn sie im Fernsehen Raubtiere bei der Nahrungsaufnahme zeigen, muss ich an ihn, seine Essgewohnheiten und kulinarischen Vorlieben denken. Das Zeugs aus dem Zuber hätte man ihm noch nicht mal zum Zuschmieren von Dübellöchern andrehen können. Zwei holländische Ehepaare, typische Wohnmobilisten, wie sie in ganz Europa den Verkehr zum Erlahmen bringen, hockten in der Bus-Bar, kippten mitgebrachten Genever und lachten und scherzten ungezwungen in ihrer phonetisch so einschmeichelnden Landessprache.
    >Inden Graben drängen, aus dem Fahrzeug zerren und an Ort und Stelle niederschießen< war, was Schisser mehr als nur einmal als den einzig vernünftigen Umgang mit niederländischen Automobiltouristen vorgeschlagen hatte.
    Gegen inneren Widerstand kaufte ich eine Flasche vom Blauroten und dazu eine Flasche Cola und machte, dass ich da rauskam.
    Anschließend schlurfte ich noch eine Weile weiter herum, sinnlos, weil, wie mir auffiel, hundlos. Wenn man keinen Hund dabeihat, ist das ganze Zufußgehen im Grunde vollkommen für den Arsch. Und damit wurde mir bewusst, wen ich hier am meisten vermisste. Ich zog das Handy aus der Tasche. Warf einen Blick auf die Akkuanzeige und schaltete es augenblicklich ab. Mein Genie von einem Freund hatte nämlich das Ladegerät zu Hause vergessen, und hier und jetzt nach einem zu fragen, schien wenig angeraten. >Zehrend<,weia. Also zurück zum Öffentlichen. Ich warf meine letzten paar Münzen ein und wählte eine Nummer aus dem Gedächtnis. Anschließend tutete es runde zwei Minuten in mein Ohr, bis sich meine Mülheimer Wohnungsnachbarin meldete, gefolgt von einem Fragezeichen, als sei sie sich ihres eigenen Namens nicht ganz sicher. Oder als ob sie so halb und halb einen obszönen Anruf erwartete.
    »Edna ... Mohr?«
    »Frau Mohr«, rief ich, mit der geballten Erfahrung Dutzender ähnlicher Versuche, »Sie

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