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Alles total groovy hier

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Titel: Alles total groovy hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Wahrscheinlichkeit, von einer Surfbrettfinne skalpiert zu werden, gering schien, zog mich aus und spürte mehr als eine feuchte Nase meinen Anus ab schnüffeln. Dann rannte ich dem ablaufenden Wasser hinterher und stellte mich der Brandung wie ein Mann. Schon die erste Woge riss mich von den Beinen und schmiss mich Arsch über Kopf zurück an den Strand, zur milden Belustigung der wartenden Hunde.
    »Eines Tages«, sagt Schisser oft, »geh ich da mal rein. Dann weiß ich endlich, wie es ist.« Er meint seinen Todestag. Schisser ist felsenfest davon überzeugt, dass ihn das Meer verschlingen wird, sobald er nur einen dicken Zeh hineintaucht.
    Seine einzige bekannte Phobie. Die einzige Phobie eines Mannes, für den >Angst    Ich warf mich noch mal in die Brandung, und sei es nur, um meinen vierbeinigen Beobachtern zu zeigen, dass die Macht der Wogen mich unbeeindruckt ließ.
    Sandig, hustend, spuckend, hier und da ein wenig geprellt und da und dort etwas geschürft, aber heiter, wartete ich, bis ich wieder halbwegs bei Atem war, bevor ich noch ein wenig den Strand entlangstrolchte. Stück für Stück zog ich mir unterwegs meine Sachen wieder an, je nach Trocknungsgrad der einzelnen Körperteile in der steten Brise.
    Es war fast wie im Urlaub.
    Eingeschlossen von Klippen zog sich die Bucht in weitem Bogen um einen flachen, menschenleeren Strand. Im Süden ragte eine Mole ins Meer, an ihrem Fuß ein lange aufgegeben wirkender Leuchtturm, umringt von ein paar Wellblechschuppen. Das und der Campingplatz stellten die ganze Bebauung der Bucht dar. Keine Strandvillen, keine Hotelanlagen, keine Touristen-Hochhäuser, kein Yachthafen, kein Golfplatz weit und breit, noch nicht mal ein Ansatz von Bautätigkeit, so wie an praktisch jedem anderen Kilometer spanischer Küste. Die Hunde folgten mir nur bis zu einem bestimmten Punkt, dann blieben sie zurück. Hatte wahrscheinlich territoriale Gründe. Ich wollte mich verabschieden, dem einen oder anderen den Kopf tätscheln, doch sie erwiesen sich als handscheu. Na, ein paar Tage mit Kristof, und sie würden schon Zutrauen fassen, da war ich mir sicher.
    Ich passierte die Reste des nächtlichen Lagerfeuers.
    Der Sand an der Stelle, wo Alma herumgesprungen war, fühlte sich fest an wie Beton. Das war mal eine Frau, der man nicht unter die Füße geraten wollte.
    Ein Stück Eisenbahngleis führte die halbe Mole entlang, vermutlich eine ehemalige Kranbahn. Daneben ragte ein Wasserturm auf, ebenfalls ehemalig, der Boden des Behälters großflächig durchgerostet.
    Die vorherrschende Farbe der kompletten Anlage, einschließlich des Leuchtturms, war grau. So langsam addierte sich eins zum andern, angefangen vom Wachhäuschen der Rezeption über den das gesamte Gelände einfassenden Zaun bis hin zu dem verlassenen Dorf an der Zufahrtstraße.
    Dies war mal Militärgelände gewesen, ein aus welchen Gründen auch immer aufgegebener Marinehafen. Die Wohnbaracken und die meisten Lagergebäude hatte man nach Abzug der Soldaten einfach abgerissen. Anschließend war die umgebende Infrastruktur aus Zulieferern und Handwerkern, Kneipen und Tankstellen zusammengebrochen, die Leute waren weggezogen, der Arbeit hinterher, und dann waren die Langhaarigen hier einmarschiert.
    Die Frage blieb: wieso die Hippies, wieso nicht die Makler, die Planer, die Entwickler, die Bau-und Tourismusindustrie? Rätselhaft. Ich rappelte ein bisschen an Toren und Türen, doch alles war sorgfältig - erstaunlich sorgfältig, wenn man nur eine Sekunde drüber nachdachte - verschlossen. Unter der alten Eiche hatte sich mittlerweile die Gemeinschaft zum Frühstück eingefunden. Die zum Ausufern neigenden Haartrachten wurden von Schals, Stirnbändern, Kopftüchern und grellbunten Wollmützen im Zaum gehalten. Überhaupt schienen sie's hier alle gern warm zu haben, unterm Dutt. Ein Großteil der Frauen entsprach dem Muster >esoterisch wahnhafte Sozialpädagogin mit Helfersyndrom<, es gab aber auch ein paar bildhübsche Roots-Reggae-Mädels internationaler Herkunft, dazu nordische Touristinnen, von denen sich zottelbärtige Rastafaris mit gnädigem Lächeln bedienen ließen, offensichtlich schon vor dem Frühstück wieder komplett dicht. Latzhosen allenthalben, dazu WalleWalle-Kleider, Bettelmönchskutten, arabische Pluderhosen, Sarongs und natürlich der eine oder andere Kaftan. Ein, zwei, drei schweigsame, dunkle Typen vertraten den afrikanischen Kontinent, noch schläfrig vom Trommeln und von

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