Alles über Sally
zur Seite genommen, Alfred, es ist nicht schwerer, sich in eine reiche Frau zu verlieben als in eine arme, also verliebe dich besser in eine reiche, ich konnte es nicht fassen, ich habe meine Mutter gefragt, Mama, wo sind die glücklichen Momente in deinem Leben, die mit Geld zu tun haben? denk über die hundert glücklichsten Momente in deinem Leben nach und dann sag mir, welche Rolle hat dabei das Geld gespielt, Mama, ich weiß nicht, was das soll, ich werde die Frau heiraten, die mich glücklich macht, und meine Mutter hat gesagt, das will ich sehen! und sie hat es zu sehen bekommen, ich lege keinen Wert darauf, recht zu behalten, nur in diesem Punkt, weil ich glaube, mich in diesem Punkt nicht geirrt zu haben, ich habe sehr gut gewusst, worauf ich mich einlasse, ich wollte Sally und sonst keine, es war klar, ich will sie heiraten, daran hat nicht der geringste Zweifel bestanden, und wenn das Gespräch darauf gekommen ist, habe ich zu ihr gesagt, keine Angst, ich mache dir keinen Antrag, ich mache dir erst einen Antrag, wenn ich sicher bin, dass du ja sagst, im Moment sagst du nein, aber eines Tages werde ich dich fragen, und ich habe sie gefragt, ja, und sie hat meine Erwartungen weniger enttäuscht als ich die ihren, weil ihre Einschätzung von sich und von mir weniger realistisch war, sie hat nicht alles bekommen, was sie bekommen wollte, deshalb beklage ich mich nicht, also, da hat es eine Frau in Kairo gegeben, die Sallys Beine gewachsthat, Linda, eine Ägypterin, die ein Faible für Schmuck hatte, und als Sally ihr einen Siwa-Ring aus Silber gezeigt hat, ein Geschenk von mir, hat Linda einen Blick darauf geworfen und Sallys Hand regelrecht weggeschmissen mit den Worten, Sally, was Sie brauchen, sind Diamanten! und die Direktorin am Kulturinstitut, die selten ein Blatt vor den Mund genommen hat, mit der Zeit ist sie mir sympathisch geworden mit ihren Verrücktheiten, schließlich, als heraußen war, dass Sally und ich ein Paar sind, hat sie mich Herr Urlaub genannt oder Sallys Ferien, Sally gegenüber, nie zu mir, aber zu Sally fast immer, das war sozusagen halboffiziell, sie hat gesagt, Sally, ich glaube, Alfred ist dein Urlaub, Sally, du verbringst bei Alfred deine Ferien, und zwischendurch hat sie sich erkundigt, na, Sally? wie steht’s? wie geht es deinem Urlaub, wann kommst du aus den Ferien zurück? wann beginnt für dich wieder das normale Leben? und Jahre später in Wien hat mich Sally daran erinnert, Alfred, ich glaube, die Direktorin am Kulturinstitut hat recht gehabt, am Anfang war meine Beziehung zu dir ein Genesungsaufenthalt, er ging über in einen Erholungsaufenthalt und bis zur Geburt von Alice dauerte der Unterhaltungsurlaub, dann war die Urlaubsphase vorbei, die Ehe hat begonnen mit den ersten Verschleißerscheinungen, Ehen beginnen ja immer erst mit den Verschleißerscheinungen, hat Sally gesagt, wo sie recht hat, hat sie recht, und auch der alte Tolstoi hat genickt, ich mag Tolstoi, er war ein hervorragender Schriftsteller, in seinen Tagebüchern steht für alle Zeiten, dass Romane nicht damit enden sollen, dass Held und Heldin heiraten, mit diesem Ende muss man anfangen, weil mit der Schilderung der Hochzeitaufhören, das sei, schreibt Tolstoi, als erzähle man von der Reise eines Mannes und bräche den Bericht an der Stelle ab, wo der Mann in die Hände von Räubern fällt, das stimmt natürlich, anfangs, was gibt es groß über einen Anfang zu sagen? anfangs hatten wir viel Glück, wir hatten so viel Glück, dass ich es gar nicht glauben konnte, dann kam nochmals Glück, und ich habe fassungslos die Hände vor dem Gesicht zusammengeschlagen, weil ich nicht glauben konnte, dass es so viel Glück überhaupt gibt, jeden Tag, ich habe mir gedacht, wenn ich heute sterben müsste, ich würde als glücklicher Mensch sterben, und am nächsten Tag kam nochmals Glück, ich konnte es nicht glauben, es wurde immer besser, eins hinter dem andern, ein Glück hinter dem andern, als wäre das Glück unerschöpflich, als käme ich, wenn man mich in den Nil werfen würde, mit einem großen Fisch im Maul wieder heraus, und meine Mutter hat gesagt, Alfred, man muss für alles Glück bezahlen, und ich habe gesagt, wo ist das Risiko, Mama? was habe ich zu verlieren? ich bin glücklich, vielleicht bin ich später nicht mehr glücklich, vielleicht bricht sie mir das Herz, vielleicht werde ich nicht alles bekommen, was ich mir wünsche, aber wo ist das Risiko, Mama? es ist Leben, mit Sally kommt so viel Leben
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