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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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er, es gebe eine Reporterin bei CNN, der sie ähnlich sehe. Offenbar sollte das ein Kompliment sein.
    Später saßen sie am Sofa. Erik berichtete, dass er seit Jahren daran denke, mit Sally zu schlafen, wo, wie, wie oft. Sie tröstete ihn, sie habe sich mit ähnlichen Gedanken herumgeschlagen, aber gut, das tat sie bei jedem Mann, den sie mochte, das behielt sie besser für sich. Sie sagte, sie hätten genauso gut schon vor zwei Jahren damit anfangen können. Erik widersprach, das glaube er nicht, er sehe, sie sei auch jetzt noch nicht so weit, sie fuchtle nur mit dem roten Tuch vor dem Stier herum. – Sally lachte verdutzt. Erik verwechselte offenbar ein paar Dinge und projizierte sein eigenes Zögern auf sie. Vermutlich machte sie ihn nervös. Gründe dafür gab es genug. Erik wurde rot vor Aufregung, er brachte das Gespräch zurück auf die Anfänge. Sally konnte ihm nur mehr teilweise folgen, zu sehr hatte die amouröse Beschleunigung sie schon erfasst, sie befand sich seit einer Weile in diesem ein wenig demütigenden Zustand, in dem Sex plötzlich als das einzig Wahre in der Welt erscheint und sonst nichts.
    Ungeduldig starrte sie auf Erik, ihr kam vor, es stecke eine Kraft in ihm, die ihre Möglichkeiten im Moment nur andeutete, das reizte sie. Das Gefühl: Gleich wirst du staunen. Ein großer Kopf mit Spielräumen für ein hochentwickeltes Gehirn, eine kräftige Kinnlade, in der auch die Weisheitszähne Platz fanden. Sein Adamsapfel hob undsenkte sich. Er saß auf dem Sofa mit den Füßen oben, seine Strümpfe neben ihrem rechten Oberschenkel, sie selber bereits in einem Zustand nur mehr halber Bekleidung, ziemlich zerzaust. Fordernd fuhr sie mit der Hand über seinen rechten Fuß, sie umfasste seinen Knöchel. Doch statt darauf einzugehen, analysierte er weiterhin die seines Erachtens von Anfang an aufgeladene Kleeblatt-Situation zwischen den beiden Paaren.
    Jetzt konnte es Sally nicht mehr erwarten, oder es reichte ihr ganz einfach.
    »Du, Erik«, unterbrach sie ihn, »ich begehe meine Dummheiten nicht deshalb, weil ich dumm bin. Also lass uns bitte aufhören zu reden. Ich weiß, dass es kompliziert ist. Ich kann mich in komplizierten Dingen zurechtfinden, andernfalls wär ich vielleicht keusch. Jetzt sollten wir einfach ficken.«
    Er erschrak ein wenig und sagte:
    »Spontan bist du wirklich, alle Achtung, auf deine Art.«
    Was ist schon dabei, dachte Sally. Sie verwendete gerne deutliche Ausdrücke, sie war der Meinung, die Vorgänge bekamen dadurch Fülle und Dichte und konnten sich dann behaupten in der Welt als etwas Stabiles und Unangefochtenes. Vielleicht sogar als etwas Schönes. Die eher weichen Umschreibungen, die ebenfalls zur Wahl standen und die auch Sally in jüngeren Jahren verwendet hatte, deuteten ihres Erachtens auf Unsicherheit und Berührungsängste und verklärten die Vorgänge mehr, als sie treffend zu bezeichnen. Das mochte eine Ansicht unter vielen sein, andere Menschen denken andere Dinge. Sally jedenfalls tatihr Möglichstes, den irreführenden und laxen Impressionismus der weichen Ausdrücke zu vermeiden.
    Sie stand auf, und da es keiner weiteren Überredungskünste zu bedürfen schien, führte sie Erik hinüber zum Bett. Von dem Gespräch fühlte sie sich wie wundgerieben, mehr Gefallen fand sie an dem, was Erik jetzt zu ihr sagte, das verbale Dreigestirn. Schon seit dem Moment im Garten hatte er nicht aufgehört, ihr zu versichern, dass er sie anbete. Die entscheidende semantische Kluft übersprang er aber erst in diesem Moment. – Und Sally war glücklich. Sie hatte schon öfter die Beobachtung gemacht, dass immer wenn ein neuer Mann ihr seine Liebe gestand, sie in seine Worte die Nachricht hineininterpretierte: Bis jetzt hast du alles richtig gemacht!
    Sally gab die Erklärung nicht zurück, weil es ihr einfältig vorgekommen wäre. Erik war enttäuscht, seltsam, wie sehr man auch in der Liebe auf Konventionen und Krücken angewiesen ist.
    »Interessante Zeiten, die uns bevorstehen«, verkündete sie, während sie sich ganz auszog. Der Geruch der frischen Laken kroch in sie hinein und ließ den leisen Verdruss, den sie auf der Couch empfunden hatte, wieder in den Hintergrund treten. Die Polster fühlten sich glatt und sauber an, es roch kein bisschen nach Sünde und Schwefel. Hauptsache, sie war glücklich, das enthob sie der Verpflichtung, ein schlechtes Gewissen zu haben. Nur wenn sie über einige derbe Freuden nicht hinauskam, ohne glücklich zu sein, war sie

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