Alles über Sally
Tasche habe, könne Sally ihr Zimmer in Bulaq kündigen und offiziell bei ihm einziehen, das spare Wege und Geld. Er selber sei dann nicht mehr auf die Gnade der Kulturzwerge angewiesen. Intrigieren, denunzieren, komplottieren und Bananenschalen auslegen sei alles, was sie am Kulturinstitut aus dem Effeff beherrschten. Mit der Museumsbewilligung in der Hand könne er in direkten Kontakt mit den ägyptischen Behörden treten und die Möglichkeit offizieller Sammlungsexporte sondieren, das würde auch die Zollsachen und vieles andere erleichtern. Bestimmt kamen zu Wien und Berlin weitere Auftraggeber hinzu, eine Arbeitsbewilligung sei dann nur noch die logische Konsequenz, seine Aktivitäten überstiegen jetzt schon bei weitem den Rahmen dessen, was als Touristentätigkeit durchgehen konnte.
»Ich muss los«, unterbrach ihn Sally. »Versprich mir, dass du bis zum Mittag nüchtern bleibst. Und rauch die Zigaretten nicht bis zum Filter, lass einfach eine längere Kippe, ich habe gelesen, dass die letzten drei Züge die gefährlichsten sind.«
Alfred nickte. Sally merkte, dass ihm noch etwas auf der Seele lag.
»Was ist mit dir?« fragte sie.
Jetzt rückte er heraus damit, dass er Geld brauchte, für das Röntgen und für die bei Gindi zurückgelegten Kleider, Munition, um seine Stellung zu behaupten, die Guthaben in Wien und Berlin, eine Frage der Zahlungsfähigkeit, im Grunde ohne Risiko, die Geschäfte an sich seien wasserdicht.
»Nur die Geldflüsse fließen nicht, was?«
»Allein der Arzt knöpft mir fünfzehn Pfund ab«, sagte er zähneknirschend.
Sally brachte mit einigen Handgriffen das Schlafzimmer in Ordnung. Sie schaute vom Balkon hinunter auf die Straße, ob dort der Hausmeister umging, sie nahm nichts Verdächtiges wahr. Eine kleine weiße Wolke schwebte über dem Nil, über dem warmen fremdländischen Morgen. Wie großartig ist diese Stadt! So unermesslich! Aber auf eine Art unermesslich, dass man sich gern darin verliert.
Zurück in der Diele kramte sie in ihrer Umhängetasche. Sie drückte Alfred eine Handvoll Scheine in die Hand, es sah nach mehr aus, als es war, das im Umlauf befindliche Geld war in erbärmlichem Zustand, nichts als Klebestreifen und Verknitterungen. Sally musterte Alfred, sie wusste, dass es ihm unangenehm war, Geld von ihr zu nehmen. Siewusste aus eigener Erfahrung, dass es viel Kraft kostete, kein Geld zu besitzen. Sie wusste, dass Alfred ihr das Geld, so schnell er konnte, zurückgeben würde. Und sie wusste, dass er dachte: Mit dir gemeinsam würde ich es schaffen. Sein Gesicht war ganz ablesbar, er versteckte seine Gemütsregungen nicht. Sally fühlte sich sehr geliebt. Doch darauf einzugehen vermochte sie nicht, so feige vor Gefühlen.
»Mach dir nichts draus«, sagte sie. »Besser eine leere Geldbörse als ein leerer Kopf.«
Im Badezimmer warf Sally einen raschen Blick in den Spiegel. Aus der Unterwelt der Geister loderte arabische Musik herauf. Die Musik erlosch wieder, als Sally die Tür hinter sich schloss.
»Hoffen wir auf bessere Zeiten.«
»Inshallah.«
Na, dann los! Sally schnappte sich den Schmutzbeutel, der hinter der Tür stand. Der Boden des Lifts war schon altersschwach, so dass sie Angst hatte, er könnte durchbrechen. Sie nahm lieber die Treppe. Die Treppe glich den Treppen, die Sally aus ihrer Kindheit kannte, Londoner Stiegen, die ihr von den wenigen Besuchen bei ihrer Mutter in Erinnerung waren, im Sutton Estate in Chelsea und in der North End Road in Fulham. In diesem Kairoer Mietshaus hatten die Treppen ähnliche Eigenschaften, versteckt, dunkel, abgeschieden und trotzdem häufig frequentiert, abgetretene Stufen, die man besser nur an den Seiten benutzte, damit man nicht abrutschte und sich ein Bein brach. Alles war alt und irgendwie vergessen, kleine, winzige Räume an beiden Enden, muffig, verborgen, wie geheime Verstecke.
Aus einem dieser Winkel schien Am Abdon zu treten, als Sally das untere Ende der Treppe erreicht hatte. Sie erschrak ein wenig. Er überging ihr Zusammenzucken und nahm ihr, ohne zu fragen, den Schmutzbeutel ab, weil er wusste, dass sie lieber selbst zur Mülltonne gegangen wäre. Sally ließ sich nicht gerne bedienen. Für solches Hühnergetue fehlte Am Abdon jedes Verständnis. In seinen Augen war Sally eine schwache Person, die nicht einmal wusste, wo ihr Platz war, daraus machte er keinen großen Hehl.
Sallys Kollegen an der Botschaft, die aus Diplomatenfamilien stammten, hatten solche Probleme nicht. Ihr Umgang mit
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