Alles über Sally
mit ägyptischen Kinderspielsachen stand in einer Ecke, und neben Kartons mit Kaffeemühlen, Rauchfässern und Amulettkästchen lagerten etliche aus Zucker gegossene Figuren, die nur am Mawlid an-Nabi, dem Tag der Heiligen, verkauft wurden. Alfred hatte die Zuckerfiguren in den alten Stadtteilen Kairos zusammengekauft; hoffentlich brachte er sie heil nach Wien.
»Wenn die Lemuren vom Kulturinstitut erfahren, dass du bei mir eingezogen bist, gönnen sie mir gar nichts mehr«, sagte er. »Lass dich bloß nicht aushorchen.«
»Ich verplappere mich schon nicht«, beruhigte sie ihn.
Tatsächlich wusste niemand, wie Sallys Angelegenheiten mit Alfred standen. Zwar gingen Gerüchte um, aber sie waren schwach belegt, und Sally tat alles, den bösen Zungen keine Nahrung zu liefern. Sie wusste nicht, was genau sie von Alfred wollte, entsprechend heftig dementierte sie mit Piepvögeln, ihr spinnt wohl, lasst mich mit eurem Scheiß in Ruhe. Der durch die Büros schleichende Verdacht war trotzdem nicht ganz zu zerstreuen, er verdichtete sich immer wieder und pflanzte sich fort. In diesem Fall stimmte, was ihr Großvater immer gesagt hatte, dass nicht einmal die Artillerie in der Lage sei, das Geschwätz aufzuhalten. Offenbar hatte er in seinem Leben nicht nur Unsinn geredet.
Auch die Direktorin des Kulturinstituts hatte ein Sprichwort auf Lager. Wenn zutreffe, was gemunkelt werde, sei Sally das Paradies, in dem Schweine weiden. Ägyptisch.
Holla, dachte Sally, meinen Freund suche ich mir immer noch selber aus. Sie lächelte geheimnisvoll, sie sagte, die Leute würden alles mögliche erfinden, um sich interessant zu machen. Sie log von Herzen, Falschheit und Heimlichtuerei fielen ihr speziell im Umfeld des Kulturinstituts wunderbar leicht. Hauptsache, Alfred bekam seine Museumsbewilligung. Und so störte es Sally auch weniger, dass sie gleichzeitig im Verdacht stand, ein Verhältnis mit dem Botschaftssekretär der Bundesrepublik Deutschland zu unterhalten.
Diese Verbindung wäre weniger übel vermerkt worden, bestand aber schon seit Wochen nicht mehr, genauer gesagt, seit der Schwanz des Botschaftssekretärs einen recht unverblümten Geschmack abgegeben hatte. Seither wollte Sally nichts mehr von ihm wissen. Offenbar wusch er sich nicht zwischen zwei Frauen und hatte seltsame Vorlieben, die dem klassischen Altertum näher standen, als mit norddeutschem Protestantismus vereinbar. Sally brauchte nicht die niedrigsten organischen Absonderungen einer unbekannten Frau im Mund, es ekelte sie, wenn sie nur daran dachte.
Anschließend hatte sie sich enger an Alfred angeschlossen. Seine Lebensart war weniger verfeinert, er bewunderte sich nicht andauernd selbst und hielt sich nicht für einen der letzten drei Idealisten auf Erden. Die meisten Männer in Kairo, ob Ausländer oder Einheimische, konnten nicht genug von sich selber kriegen, es herrschte eine infantile Männlichkeitssucht nicht zuletzt auch unter denen, die demonstrativ Turnschuhe trugen. Das ging Sally schrecklich auf die Nerven. Alfred war im Vergleich dazu schüchtern und unsicher, er wurde leicht rot. Um seine Qualitäten zu sehen, musste man ein zweites Mal hinschauen, zum Beispiel konnte er ganz kurz zwischen zwei Worten lachen, man merkte es kaum, anfangs hatte Sally es immer übersehen. In seiner Gegenwart verspürte sie eine gewisse Entspanntheit, die sie bei anderen Männern nicht verspürte, sie wurde ruhiger und sicherer, obwohl weiterhin Wellen von Egoismus und Unberechenbarkeit durch sie hindurchgingen. Besonders anziehend war, dass die armen Bewohner der umliegenden Straßen Alfred mochten, die Hausmädchenund kleinen Handwerker, die von den gegenüberliegenden Straßenseiten herüberriefen und sich nach seiner Gallenblase erkundigten. Alfred blieb stehen und unterhielt sich mit ihnen, wie geht’s?, und zehn Sekunden später lachten alle, dafür zollte sie ihm Anerkennung. Alles in allem gehörte Alfred nicht zu dem Schlag Liebhaber, den sie bisher gehabt hatte, eher das Gegenteil, sie konnte es sich nicht recht erklären. Aber gut, wenn man in der Liebe Enttäuschungen erlebt, ist die nachfolgende Reaktion ein Versuch, weiteren Enttäuschungen zu entgehen.
Sally hatte ihr Frühstück beendet, sie ging ins Schlafzimmer und holte sich saubere Unterwäsche. Während sie sich anzog, erörterte Alfred seine Vorstellung von einer gesicherten Zukunft, die Museumsbewilligung fungierte dabei als Dreh- und Angelpunkt. Er sagte, sowie er die Bewilligung in der
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