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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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Universität von Kairo war bestimmt nicht schlechter als die in Wien. Am Nachmittag las ein Gastdozent aus Oxford, Ende März kam eine Professorin aus Berkeley. Oxford und Berkeley? Das konnte sich Sally nicht leisten. Kairo hingegen schon. Diese Stadt beflügelte ihre Entwicklung, hier machte sie mit erstaunlicher Schnelligkeit Boden gut. Lediglich in den Verhältnissen an der rotweißroten Gesandtschaft fand die träge, stickige Atmosphäre ihrer Heimatstadt ein fernes Echo. Das dachte sie. Und sie sagte sich, ich darf es nur nicht zu nahe an mich heranlassen, es ist eine Stelle zum Geldverdienen, mehr nicht, vier Stunden am Vormittag, das muss auszuhalten sein. Und sie schaute auf die Uhr, die Uhr tickte, halb zwölf vorbei, gleich hatte sie es überstanden. Gleich hatte Alfred seinen Röntgentermin. Ich hoffe, es kommt ihm nicht wieder etwas dazwischen. Ich hoffe, er muss nicht operiert werden. Alfred, dieser Dummkopf! Er hatte mehr Aufmerksamkeit für Sally als für sich und mehr Aufmerksamkeit für Sally als Sally für sich. Sie musste zugeben, insgeheim imponierte ihr das.
    Versonnen ging sie zurück an ihren Schreibtisch. Dort nahm sie einen Referatsbogen aus dem Regal und protokollierte die eingelaufene Sigmund-Freud-Büste. Anschließend führte sie ein Telefonat mit dem Sekretär des ägyptischen Verbandes für Psychiatrie. Dann war der Vormittag vorbei.
     
    Die Sache mit der Fahrerlaubnis, die ihm ziemlich im Magen gelegen war, konnte Alfred gut hinter sich bringen, letztlich wurde er rasch abgefertigt von einer aktenwurmigenSchönheit mit einem Kopf voll krausem Haar und dunklen, mit schwarzer Schminke umrandeten Augen. Unter zwei gekreuzten Fahnen saß sie an einem großen Schreibtisch, ließ sich Alfreds Papiere und seinen Antrag reichen, dann wurde alles durchgesehen auf der Suche nach dem mysteriösen Zeichen des Beamten am Eingang.
    »Where is the mark? The passport is not marked!«
    Ein junger Mann kam aus dem Nebenzimmer, bot sich an, bei der Fahndung nach dem Zeichen behilflich zu sein. Nach einer Weile hoben sich seine Augenbrauen im Triumph, er hatte den Übeltäter ausgemacht. An diesem Punkt war Alfred der Erlösung bereits so nahe, dass er weniger verärgert als amüsiert war über das sinnlose Prozedere. Er schwor sich, nie wieder ohne diverse Lesezeichen für den Pass auf ein ägyptisches Amt zu gehen.
    Die Beamtin erklärte mit Kantenschlägen ihrer Hand, wie es um die Rechtslage stehe. Alfred legte Quittungen über offiziell gewechseltes Geld vor zum Beweis seiner Residenz. Die Beamtin hielt ihre Füllfeder prüfend gegen das Fenster, verzierte in großzügigen Sprüngen das untere Drittel des Antragsformulars und betrachtete das Werk anschließend kritisch. Zu Alfreds Erstaunen spuckte sie plötzlich gekonnt auf das Stempelkissen, hieb den Stempel drauf und gleich rüber auf den Antrag, wo sich ein vor Blässe praktisch leerer Ring neben der Unterschrift abhob. Schweigend reichte die Beamtin den genehmigten Antrag und den Pass über den Tisch, somit war Alfred für ein halbes Jahr entlassen. Höchste Zeit für den Röntgentermin! – Er kam gerade noch rechtzeitig für zwei Aufnahmen seiner mit Steinen gefüllten Gallenblase, es hieß, er solle ineiner Woche wiederkommen, wenn die Bilder entwickelt seien.
    Da er vor Hunger fast umkam, fuhr er ins Mena House. Auf dem Weg dorthin sah er die zerstörten und ausgebrannten Nachtklubs auf der Sharia al-Giza, er dachte, sollte das nächtliche Ausgehverbot kommen, weiß man wenigstens, dass alle Füchse zu Hause sind. Er beugte sich wie zum Inhalieren über seinen Teller und schlürfte die Suppe mit bleichem und gespanntem Gesicht, ohne Aufmerksamkeit für seine Umgebung, nur für den Löffel, von dessen Seiten kleine dünne Nudeln hingen, die manchmal zurück in den Teller plumpsten. Nach einem zweiten Teller, den er sich gemeinsam mit weiteren flachen, ein wenig nach Rauch und Asche schmeckenden Brotfladen in den Rachen geschaufelt hatte, fand er, jetzt genug Diät gehalten zu haben, und so beendete er die Mahlzeit mit einer kleinen Tasse erdöldickem Mokka.
    Vorwärts! Jallah! Er fühlte sich gestärkt und steuerte den Bazar an. Bei Wassaf fand er frisch eingetroffene Sudan-Ware, darunter zwei Traumstücke, die er vorläufig in seiner eigenen Sammlung halten wollte. Dann zu Gindi, der sich zehnmal nach Alfreds Gesundheit erkundigte, bevor er ihm ein rotes Glasherz-Amulett schenkte und versicherte, die zurückgelegten Kleider seien gut

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