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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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verwahrt. Der Nubier mit der flachen Nase und dem hohen Steg wollte für ein ähnliches Herz-Amulett ein Pfund und für eine Reihe von Siwa-Ringen fünfundzwanzig Piaster pro Gramm, das war neu. Alfred sagte, der Preis sei in Ordnung, aber er besitze bereits vergleichbare Stücke, er dachte, diejenigen, die mir das Geschäft verderben, sollen ruhig den teuren Preisbezahlen, vielleicht überlegen sie es sich dann, Siwa-Ringe zu kaufen. Wenn nicht, steigt der Wert meiner Sammlung. Einzelne fehlende Objekte kann ich in Zukunft auch teuer erstehen, so leicht holt mich auf diesem Gebiet niemand mehr ein, jedenfalls nicht, wer später begonnen hat.
    Je mehr er darüber nachdachte, desto größer wurde seine Wut über diese erbärmlichen Nachahmer. Noch vor einem Jahr hatten sie seine Tätigkeit verspottet. Und jetzt wollten sie selber damit groß werden – und am Ende gelang es ihnen sogar, weil Alfred seine Ergebnisse nur in kleinen Artikeln veröffentlichen konnte, während andere, weil sie die besseren Beziehungen hatten, die grundlegenden Werke verfassten. Wenn es ihm nicht gelang, international (nicht lachen!) anerkannt zu werden, stand zu befürchten, dass seine Beziehungen nicht ausreichten, um der Mafia die Stirn zu bieten.
     
    Als er zu Hause eintraf, brannte die Straßenbeleuchtung. Er öffnete die Wohnungstür, man konnte sehen, wie sehr sich Sally freute. Im Gasofen brutzelte ein Huhn, es hatte schon eine dunkle Kruste, deshalb breitete Alfred seine Ausbeute nicht auf dem Tisch aus wie sonst, sondern auf dem Fensterbrett. Es waren nur kleine Dinge, wenn auch in ihrer Art teils einmalig. Zum Silberschmuck aus dem Sudan und dem Glasherz-Amulett von Gindi waren zwei Zopfanhänger und ein löwengestaltiges Opiumgewicht hinzugekommen.
    Alfred wusch sich am Küchenwaschbecken Hände und Gesicht, dann ließ er sich erschöpft auf seinen Stuhl fallen, seine Hände spürten, dass die Tischfläche frisch abgewischt war. Die Fliegen suchten jetzt andere Oberflächenfür ihre gierigen Rüssel. Vielleicht bekamen die Leimruten wieder eine Chance.
    »Danke fürs Tischabwischen«, sagte er.
    Sally strahlte ihn an. Obwohl sie vom Kochen Schweiß auf der Stirn hatte, sah sie jünger aus als je etwas auf der Welt. Sie holte frische Küchenkräuter vom Balkon. Als sie zurückkam, fragte sie:
    »Wie war dein Tag?«
    »Und deiner?«
    »Es ging so.«
    »Bei mir auch.«
    »Bil hana«, sagte sie.
    »Bil hana.«
    Sie aßen das ganze Huhn, es war ein kleines Huhn. Dazu tranken sie ein Glas österreichischen Weißwein, den Sally bei einer Veranstaltung des Kulturinstituts abgestaubt hatte, der Wein machte sie beide gesprächig. Und weil sie zuletzt über die Vorlesung des Dozenten aus Oxford geredet hatten, D. H. Lawrence and Fine Art , zitierte Alfred, als er sich mit dem dreckigen Geschirr durch die schmale Gasse zwischen Tisch und Tür zwängte, einen Satz von Lawrence, den er einmal in der Zeitung gelesen hatte:
    »Pornographie ist der Versuch, den Sex zu beleidigen.«
    Er legte das Geschirr in die Abwasch, griff nach dem Spülmittel. Sally blieb am Tisch sitzen, sie lächelte, ohne etwas zu sagen. Später schaute sie Alfred beim Abtrocknen zu, sie merkte, seine Gedanken waren nicht bei der Sache, sie wusste, dass er sie anziehend fand, sie wusste, da war niemand wichtiger als sie. Und ihr Bewusstsein sagte ihr, dass es nett war, geliebt zu werden ohne Wenn und Aber.
    Als Alfred mit dem Abwasch fertig war, schluckte er ein Rowachol. Anschließend hob er die Schreibmaschine vom Fußboden hoch und komponierte mehrere Briefe. Sally hörte derweil Radio, den Sender France Musique. Als Alfred beim Tagebuchschreiben heftig zu gähnen anfing, fragte Sally, ob er mitgehe auf eine Zigarette. Sie stellten sich auf den Balkon, wo die Teerpappe am Boden noch warm war. Das Viertel glitzerte in der Dunkelheit. Richtung Nil sah man in der Luft die Schemen der Fledermäuse zucken. Noch immer rollte der Verkehr.
    »Was wir haben, ist wirklich schwer in Ordnung«, sagte Alfred.
    »Bis jetzt hat es mir viel gegeben«, antwortete Sally.
    »Ich glaube, es ist nur der Anfang«, sagte er. »Vielleicht kratzen wir erst an der Oberfläche.«
    »Wer weiß, kann sein.«
    Sally rauchte genüsslich. Sie dachte: Ob das, was ich mit Alfred habe, sich zu etwas Dauerhaftem entwickelt, wird die Zukunft zeigen. Bis jetzt hat’s mir tatsächlich viel gegeben. Ich fühle mich lebendig, ich meine, nicht nur lebendig sein, ich fühle mich auch so. Bestimmt ist nicht

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