Alles über Sally
Brief, den er öffnete und überflog. Seine Großmutter teilte ihm mit, dass sie zwei Teppiche an Nachbarn verkauft habe, das Geld sei überwiesen. Alhamdulillah! Der Rest des Briefes widmete sich Kriminalität und Teuerung.
»Kriminalität und Teuerung«, sagte er zu Am Abdon. »Es ist überall dasselbe.«
»Zumindest manches«, gab Am Abdon stirnrunzelnd zurück.
Der Zephyr glänzte frisch gewaschen. Alfred startete den Motor, dabei rechnete er sich aus, dass mit dem Geld für die Teppiche die zurückgelegten Kleider bei Gindi ausgelöst werden konnten, und mit dem Rest hielt er zwei Wochen durch. Pfeifend rangierte er den Wagen auf die Straße.Die Sonne war aus Butter, die Luft erzitterte von Hupen, Fehlzündungen und Motoren ohne Schalldämpfer. Alfred lenkte den Wagen durch das tausendjährige Mosaik der Stadt, warme Luftwirbel, die sich zwischen den geöffneten Fenstern bildeten, warfen auf der Rückbank einen Entwurf des Isis-Artikels umher. Die Bedeutung der Farbe Rot im Isis-Kult. Isis zeigt sich ohne Schleier, doch der Mensch, er hat den Star.
Am Kulturinstitut holte Alfred zunächst die Post ab. Da war er mal wieder, wenig überraschend, da er jeden Donnerstag kam. Er gab eine Handvoll Briefe auf, Bettelbriefe, doch auch zwei fertige Artikel für Zeitschriften in Stuttgart und Amsterdam, der eine nach seiner Einschätzung ein Knüller. Und jetzt die eingelangten Sendungen, na, wer sagt’s! eine lange erwartete Geldanweisung aus Wien, außerdem ein Auftrag aus Zürich, wo eine Ausstellung Geheimnisvoller Orient geplant war. Dort durften Burkas nicht fehlen. Von diesen Neuigkeiten gestärkt, beschloss Alfred, sich nicht länger für dumm verkaufen zu lassen. Vielleicht erlebte er einen Glückstag und die Ehre der Museumsbewilligung wurde ihm zuteil.
Sallys Platz war leer, die zweite Sekretärin, bei der Alfred besondere Verachtung genoss, ließ ihn vor ihrem Schreibtisch stehen, sie reagierte auch nicht auf sein Hüsteln. Falls sie ihn schon bemerkt hatte, gab sie es nicht zu erkennen. Eine etwas scharf formulierte Frage, ob es ihr etwas ausmache, wenn er Platz nehme, führte zu einer Entschuldigung. Das war’s aber auch. Sie setzte ihr Telefonat unbeirrt fort.
Nach einer Weile änderte der Ventilator sein Geräusch,weil die Eingangstür aufgegangen war. Die Sekretärin sagte, sie müsse Schluss machen, und legte auf. Zwei Sekunden später rauschte die Direktorin herein. Um ein Haar wäre sie an Alfred vorbeigerannt. Nach einem genuschelten Gruß drehte sie sich doch noch um.
»Wir haben letzthin viel von ihnen gesprochen«, sagte sie.
Auf Alfreds zweifellos dummfragendes Nicken berichtete sie, dass sie den Direktor des Tonbandarchivs der Akademie zu Besuch gehabt habe. Er halte viel vom wissenschaftlichen Wert von Alfreds Arbeiten, und auch im Völkerkundlichen Museum in Wien gebe es jemanden, der voll des Lobes für ihn sei. Alfred habe gewichtige Fürsprecher.
»Leider nur in Wien«, sagte Alfred.
»Seien Sie nicht ungerecht«, erwiderte die Direktorin in gespielter Empörung. »Ich interessiere mich sehr für Ihre Arbeit.«
Alfred war so überrascht von diesem Umschwung, dass er eine unkluge Antwort gab.
»Es gibt nicht viele, die meine Arbeit richtig einschätzen.«
Die Direktorin, eine noch junge, allzu braungebrannte und blauäugige Blondine, fischte unter dem Mäntelchen einer humanistischen Tätigkeit selber im Trüben mit ihrer Sammeltätigkeit. Sie musterte Alfred kühl, das Gesicht in Lächelbereitschaft, das Lächeln wurde ausgefolgt. Sie kam näher heran und fragte mit der Beharrlichkeit eines orientalischen Händlers, worum es sich bei Alfreds momentanen Arbeitsgebieten eigentlich handle. In verschiedenenVariationen ließ Alfred sie mit immer der gleichen unbrauchbaren Auskunft auflaufen:
»Die bäuerliche Kultur.«
Die Direktorin schien vor Neugier und Ärger zu platzen. Sie fragte, ob er noch Silberschmuck behandle, was Alfred energisch verneinte. Daraufhin trollte sie sich wortlos. Alfred hatte es nicht einmal geschafft, die Museumsbewilligung zu erwähnen. Er war außerstande zu begreifen, warum man so schroff mit ihm umging. Wann immer für Teheran oder Istanbul ein Stipendium ausgeschrieben war, machten ihn die Kairoer darauf aufmerksam. Wär das nichts für Sie, Herr Doktor Fink? Wie wär’s mit Teheran? Istanbul? Bagdad? – Soll doch der Teufel, der Teufel, der Teufel. Jedem anständigen Menschen schwindelte hier der Kopf.
Mit einem Gesichtsausdruck, der Alfred an
Weitere Kostenlose Bücher