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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Aber niemand von den vertierten Untermenschen aus dem Osten werde je deutschen Boden betreten, sagte der deutsche Kommentator mit fester Stimme, das könnten sie sich gesagt sein lassen! Und vom Herrgott sprach er auch. Aber über diese ruhig verlesenen Trost- und Beruhigungsworte, ja, in sie hinein wurde von irgendwoher häßlich gelacht? «Nun hütet euch, ihr deutschen Frauen und Mädchen, jetzt werden wir euch alles heimzahlen!» rief eine quäkige Stimme, und dann wurde wieder häßlich gelacht im Hintergrund. «Wir werden euern Hochmut brechen.» Doch dann das Pausenzeichen wie gewohnt, ernst und deutsch: Üb immer Treu und Redlichkeit ...
    Und dann: Heiterkeit zur Morgenzeit, ein Reigen lustiger Weisen.
     
    Schau nicht hin,
    schau nicht her,
    schau nur geradeaus,
    mach dir nichts daraus,
    schau nur geradeaus!
     
    Das Tantchen kam im Morgenrock aus ihrem Zimmer heraus. Sie klopfte bei Katharina, ob sie das auch hört, dieses Rollen und Bersten?
    «Jaja!» sagte Katharina, das hört sie auch.
    «Hau ab, gleich morgen früh!» hatte Eberhard gesagt. Und zum Tantchen sagte sie: «Es wird wohl besser sein, wir machen uns auf die Socken?»
    Da guckte das Tantchen sie an, wie sie noch nie geguckt hatte. Katharina. War das die Möglichkeit, daß sie aus ihrer Traumwelt aufgewacht war?
     
    Das Tantchen stieg hinunter in die Halle und ging auf und ab. Türen öffnen oder schließen? das war die Frage. Koffer hinuntertragen? Jago begleitete sie, hinauf – hinunter, der wich nicht von ihrer Seite. Sie trat auch vor das Haus und lauschte, ob sie sich nicht vielleicht täuscht? und kam wieder herein. Holte ihre Koffer von oben, alle sauber beschriftet und mit Bindfaden zusätzlich noch verschnürt, und stellte sie mitten in die Halle und setzte sich drauf. So war man denn gerüstet, nun mochte kommen, was will.
    Ja, man würde sich auf die Socken machen müssen, doch wie? und wann? – Es war alles nicht so einfach.
     
    Endlich kam auch Katharina von oben herunter, unfrisiert und gähnend, und da saßen sie dann beieinander, und die Sammeltassen in der Schatulle klirrten. Nun würde man also packen müssen. Sie für ihre Person habe das längst besorgt, sagte das Tantchen.
    Katharina sagte: «Erst mal noch nicht. Erst mal noch abwarten ?» – Gepackt war ja schon, das große Gepäck, das hatte Wladimir bereits besorgt. Das lag schon auf dem Wagen. Es frage sich, ob man einige dieser Sachen vielleicht wieder vom Wagen herunterholt und andere dafür verstaut?
    Wladimir wurde gerufen: Ob alles bereit sei? und ob man noch dies und das mitnehmen soll, was er meint?
    Schon mal probeweise ein paar hundert Meter fahren, ob auch nichts runterfällt?
    Ja, es war alles gepackt und verstaut und mit Segeltuch abgedeckt und festgezurrt mit Riemen und Seilen, das eine oder das andere konnte noch ausgetauscht werden: Eberhards Anzüge vielleicht gar nicht so nötig? Der hatte doch seine Uniform? Aber Bettzeug und Wäsche...
     
    Auch die Mädchen kamen in die kalte dunkle Halle gelaufen, wo sie ja eigentlich nichts zu suchen hatten, und schauten das Tantchen fragend an. Ob sie das hört, dies Grummeln und Bersten? Ja, sie hörte es, und Katharina hörte es auch. Nun ging es also los. Sollten sie sich darüber freuen? Sie zogen sich einen Stuhl heran und setzten sich zu den beiden Frauen. Sie alle hatten den Mund leicht geöffnet, damit sie besser hören können, und saßen zusammengesunken beieinander. Es war ja auch noch früh am Tage, erst mal abwarten, so schnell schossen die Preußen nicht!
     
    Schließlich stellte sich auch Peter ein, einen Schal trug er um den Hals, denn er hatte noch immer geschwollene Mandeln. Emser Salz oder Formamint, das war die Frage. Das Tantchen hatte noch Eukalyptusbonbons vorrätig, davon gab sie ihm ab.
    Ihn bewegte die Frage, ob er seine Eisenbahn einpacken soll?
    Die Ritterburg? Und das Mikroskop? Seine Luftpistole hatte er sich hinter den Gürtel gesteckt.
    Das Feuer im Kamin wollte nicht angehen, wie sehr Peter auch mit dem Blasebalg für frische Luft sorgte.
    Die Frauen saßen fröstelnd beieinander und lauschten, Vera war es, die leise betete. Wladimir ging schon mal hinaus. Vielleicht konnte er noch das eine oder das andere festzurren? «Wir machen erst mal so weiter», sagte das Tantchen, «bis man uns Bescheid sagt. – Du, Peter, räumst dein Zimmer auf, und ihr Mädels geht wieder in die Küche!» – Brauchte man nicht eine Genehmigung?
     
    «Hast du was?» fragte das Tantchen

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