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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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letzten Jahr an, kurz nachdem er mit Natalie zusammengekommen war. Wir waren alle froh, dass er sie hatte, denn meiner Meinung nach ist sie wie eine Flamme bei Tageslicht, unauslöschlich, man sieht sie kaum, aber sie ist immer da. Und nach dieser durchgeknallten Zicke und, Entschuldigung, frigiden Schlampe »Pfingströslein« Mulvey waren wir heilfroh, dass er eine hatte, die normal war. Natalie ist durch und durch normal.
    Mitten in der Nacht denke ich: Vielleicht ist sie ganz und gar nicht normal .
    Wie auch immer.
    Im vergangenen Jahr erkrankte Billys Mutter (die ich wirklich mag) an Krebs. Als sie, vollgepumpt mit Steroiden, von ihrer ersten Chemobehandlung nach Hause kam, erklärte sie Billy – erklärte sie praktisch allen -, dass sie ihren Mann nicht mehr liebe, ihn von Anfang an nicht geliebt habe, und sobald die Chemotherapie zu Ende sei, sei auch Schluss mit der Ehe. Es klang wie: »Ich lebe! Ich lebe! Ich werde mein Leben nicht länger vergeuden!!!« Jedenfalls hat Billy es so geschildert. Dann fielen ihr alle Haare aus, und ihr war speiübel, und Billy sieht einfach nur seinen Papa an und sein Papa ihn – und wissen Sie, an Billys Papa gibt’s nichts auszusetzen, der ist wirklich supersüß -, er bringt ihr vierhundert Tassen
grünen Tee am Tag, während sie auf dem Sofa liegt und ein Gesicht macht wie: Sobald das hier vorbei ist, hau ich ab.
    Kaum erfahren wir die Diagnose, sieht mein Freund auch schon im Internet nach und sagt, Eierstockkrebs sei der totale Hammer – und wer wird es Billy sagen? Wer wird ihm mitteilen, dass sie prozentual gesehen ziemlich schlechte Karten hat? Wir sitzen in der Pommesbude und warten, dass Billy aufhört, mit seiner Mutter zu telefonieren – er steht vor dem Spiegelglasfenster in der Hoffnung, da besseren Empfang zu haben, und er blickt zum Himmel, das Gesicht ganz angestrengt, so alt und kindlich zugleich, dass sein Anblick für jeden von uns wie ein Schmerz ist. Es ist, als spürte jeder von uns ein Stechen in der Seite.
    Dann sagt Natalie: »Scheiß auf die Statistik. Man muss nur zu dem einen Prozent gehören. Mehr nicht. Man muss nur zu dem einen Prozent gehören, das überlebt.« Und ich glaube, das ist eine Abwehrhaltung, ich meine, sie schützt eben den Seelenfrieden ihres neuen Freundes. Ein anderer Teil von mir denkt allerdings, dass sie ihr Revier markiert, was ich durchaus respektiere, nur dass ich Billys Mutter mittlerweile seit fünf Jahren kenne und ebenfalls heulen muss, falls sie stirbt.
    Übrigens war es seine Mutter, die Billy in den Wahnsinn getrieben hat – lange bevor sie krank wurde. Es war seine Mutter, die Billy interessant und unglücklich gemacht hat. Die ist also auch’ne ganz schöne Giftnudel, aber das sage ich Natalie nicht, ich sage: »Glaubst du, sie wird überleben?«

    »Ich glaube«, antwortet Natalie nach einer Weile, »dass wir’s nicht wissen. Und solange wir’s nicht wissen, brauchen wir auch nicht so’n Aufstand zu machen.«
    Genau das würde sich auch mein Freund sagen, weswegen ich glaube, eigentlich würden die beiden besser fahren, wenn sie zusammen wären, sie könnten die Augen zum Himmel verdrehen und bräuchten nicht so’n Aufstand zu machen – zum Beispiel, wenn sie Sex haben. Und danach könnte Natalie Tee kochen.
    Den ganzen Weg bis hierher beschuldige ich also meinen Freund, scharf auf sie zu sein, aber nur, um ihn auf Trab zu bringen – um die Erinnerung daran auszulöschen, wie Billy nach dem Telefonat zurückkam und sagte: »Nein, nein, nur das Übliche«, und dann seine Pommes beiseiteschob. Außerdem lenkt es mich davon ab, dass Natalies Abneigung gegen so viel Aufstand keineswegs vernünftig, durchdacht und zutreffend ist. In Wahrheit meint sie nichts anderes als: Billys Mutter gehört euch nicht.
    Weder tot noch lebendig.
    Es war nur ein winziger Augenblick, wissen Sie?
    Wie gesagt, ich hatte wirklich Respekt vor Natalie, weil sie ihrer Linie treu blieb, und irgendwie schienen wir alle den ganzen langen Winter über das Gefühl zu haben, dass Billys Mutter es schaffen würde, solange Natalie nur nicht mit den Augen flattert oder blinzelt und solange wir alle nett und für uns bleiben und nur Gefühle zeigen, die unserer tatsächlichen Situation im Vergleich zu der von Billys Mutter angemessen sind.
    Ich dachte nur: Natalie ist’ne richtig Anständige – davon gibt’s weiß Gott nicht viele. Und ich hab sie halt richtig
bewundert, das ist alles. Allmählich sah ich, wie schön sie ist, aus der

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