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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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wollte. Es war ein kleiner Fahrstuhl, eigentlich nur eine Kiste an einem Seil. Man konnte hören, wie hoch oben das Rad ratterte, und das ganze Ding knarrte, wenn es einen das Gebäude hinaufzog.
    Ich trat zur Seite, um ihm Platz zu machen – nicht leicht, wenn man so prall ist. Dann stellte ich natürlich fest, dass ich den Knopf noch gar nicht gedrückt hatte, sodass ich mich noch einmal an ihm vorbeizwängen, mich fast um meine eigene Achse drehen musste. Mein Bauch war wie ein Ball zwischen uns. Als wir im siebten Stock anlangten, schwitzte ich bereits.
    Sie kennen diese alten Bakelitknöpfe – lockere, bewegliche Dinger, die mit einem wunderbaren Schnappgeräusch einrasten. Wenn schon jemand vor Ihnen den Knopf betätigt hat, drücken Sie natürlich irgendwie ins Leere, und Ihr Zeigefinger fühlt sich ein bisschen albern an. Daher lege ich immer ein kleines Päuschen ein, bevor ich Nummer sieben drücke. Und in diesem kleinen Päuschen, so könnte es sein, beschleicht mich das Gefühl, die verdammte Kiste würde mich überall hinfahren.

    »Oh, Entschuldigung«, sagte er, obwohl das doch gar nicht nötig war. Amerikaner. In einem Anzug. Recht hochgewachsen.
    »Oh. Entschuldigung«, sagte auch ich. Nun, gehört sich ja wohl so, oder?
    Mit einem leisen Knacken rastete der Knopf ein – wo immer der Fahrstuhl hinfuhr, mein Stockwerk würde es nicht sein. Er zog sich in die andere Ecke zurück, und wir warteten darauf, dass die Türen sich schlossen.
    Dieser verfluchte Fahrstuhl. Sechsmal am Tag, vielleicht auch öfter, fahre ich in dieser Kiste auf und ab und warte darauf, dass der Mechanismus sich endlich entscheidet; warte darauf, dass er aufhört zu denken, aufhört, Stockwerk um Stockwerk das Gebäude abzusuchen. Er ist so alt – eigentlich müsste er quietschende Scherengitter haben wie in einem Krimi. (Ich müsste eine aschblonde Dauerwelle haben, der Amerikaner einen Revolver.) Hat er aber nicht. Es gibt nur diese beiden ewig zögernden Metalltüren, die klackend hervorschnellen und so tun, als wollten sie sich schließen, und sich dann doch anders entscheiden.
    Aus einem sozialen Verantwortungsgefühl heraus stieß ich einen kleinen Seufzer aus – Nun, da wären wir mal wieder – und warf einen Blick in seine Richtung. Er blickte nicht etwa, nein, er starrte auf meinen Bauch. Nun, das tun die Leute eben. Daher blinzelte ich ihn ein bisschen an und setzte mein schönstes Schwangerschaftslächeln auf, ganz verschleiert und überwältigt: Ist die Natur nicht wunderbar? Dieser Tage riecht meine Haut nach Gemüsesuppe. Ich meine, zwar nach einer ziemlich leckeren
Suppe, aber eben doch nach Suppe – verstehen Sie? Ich sage Ihnen – Fortpflanzung, das ist eine Welt für sich.
    Daraufhin sah er mir ins Gesicht und lächelte. Die Türen ruckten ein wenig in ihren Laufschienen und entschieden sich dann doch anders. Schwere Wimpern. Schlafzimmerblick.
    »So. Wann ist denn der glückliche Tag?«, fragte er.
    Als ginge ihn das auch nur das Geringste an. Als wären wir einander vorgestellt worden. Wenn man schwanger ist, ist man öffentliches Eigentum, Freiwild. »Hallo«, heißt es in den Geschäften, »wie geht’s Ihnen denn heute?« Es ist, als sei die ganze Welt amerikanisiert worden, irgendwie, und hier haben wir nun das Originalprodukt, maisgefüttert, Freilandaufzucht. So steht er da in seinem schicken Anzug und erkundigt sich nach meinem Zeitplan.
    »Was genau meinen Sie?«, wollte ich ihn fragen. »Ich leide lediglich unter Blähungen.« Oder: »Wer sagt denn, dass der Tag glücklich sein wird? Es könnte doch der unglücklichste Tag meines Lebens sein. Zum Beispiel könnte ich vor Schmerzen schreien oder ausbluten. Ich könnte sterben.«
    »Oh.« Ich blickte an meinem Bauch hinunter, als hätte ich eben erst bemerkt, dass er da ist – Was, dieses alte Ding?
    »Sechs Wochen«, sagte ich.
    »Hey!«, gab er zurück. Wie ein Cheerleader. Ich dachte, gleich holt er aus und knufft spielerisch meinen Arm – Go for it!
    Ich drehte mich um und drückte den »Türen schließen«-Knopf. Zumindest glaubte ich, es sei der »Türen schließen«-Knopf,
es war jedoch der »Türen öffnen«-Knopf – diese kleinen Dreiecke haben so etwas Verwirrendes. Und die Türen, die sich in diesem Augenblick schließen wollten, hielten inne – huch! – und öffneten sich wieder.
    Wir blickten hinaus in die kleine Eingangshalle. Noch immer leer.
    »Na, dann viel Glück!«, sagte er.
    Er lachte ein kleines »Haha« und wippte auf

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