Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
bitte?«
»Der Ball!«
Obwohl seine Worte ziemlich deutlich waren, kam es Hazel so vor, als verstünde sie ihn nicht. Oder als könnte man sie selbst nicht hören, obwohl sie ja gar nichts sagte. Ohne zu wissen, warum, lief sie zu ihm und hielt ihm mit ausgestreckten Armen das Baby hin.
»Nimm es«, sagte sie.
»Was?«
»Nimm das Baby.«
»Was?«
»Nimm das verdammte Baby!«
Das Baby baumelte so erschrocken zwischen ihnen, dass, als John es schließlich ungeschickt in die Arme nahm, sein Gebrüll eine regelrechte Erleichterung war – wenigstens wurde die Lautstärke in ihrem Kopf wieder hochgestellt. Aber Hazel lief bereits auf den Ball zu. Sie hob ihn auf und schleuderte ihn in niedrigem Bogen in Richtung Apfelbäume.
»Da habt ihr euren Ball.« Dann machte sie kehrt, um nach drinnen zu gehen.
An der Schiebetür stand Johns Vater; seinen Gehstock an die Brust gepresst, mühte er sich die kleine Stufe hinab.
Er sah sie an und lächelte so lieb, dass Hazel wusste, er hatte die Szene auf dem Rasen beobachtet. Und ihr vergab. Dass ein wildfremder Mann ihr auf diese Weise die intimsten Verfehlungen vergeben konnte, war für sie so unerträglich, dass sie sich beim Hineingehen an dem winzigen Alten vorbeidrückte, sodass er beinahe in die Scheibe gefallen wäre.
John fand sie auf den Wohnzimmerfußboden gekauert, wo sie in der Wickeltasche wühlte. Sie sah auf. Er hatte das Baby nicht auf dem Arm.
»Wo ist das Baby?«, fragte sie.
»Was ist bloß los mit dir?«, erwiderte er.
»Ich muss mein Top wechseln. Was hast du mit dem Baby gemacht?«
»Was ist mit deinem Top?«
Rotz. Hazel brachte es nicht fertig, das Wort auszusprechen; sie würde heulen müssen, und dann würden sie beide lachen.
Aber in der Tasche war kein sauberes T-Shirt. Sie wohnten in einem Hotel, da Hazel geglaubt hatte, das Baby würde besser einschlafen, wenn es nicht all dem Lärm ausgesetzt wäre. Aber mal blieb ein Beißring in der Kälte der Minibar, mal ein unverzichtbarer Plastiklöffel im Hotelwaschbecken zurück, und so gab es natürlich auch kein T-Shirt in der Tasche. Und John würde ihr ohnehin nicht erlauben, das Baby für ein Schläfchen ins Hotel zurückzubringen.
»Es geht ihm gut. Es geht ihm gut«, wiederholte er dauernd, wenn der Kleine immer unleidlicher und fassungsloser
wurde und vor Entsetzen aufschrie, wenn sie ihn ablegen wollte.
»Warum muss er unbedingt unglücklich sein?«, wollte sie sagen. »Er ist erst wenige Tage auf der Welt. Warum muss das ganze Unglück schon jetzt beginnen?«
Stattdessen ließ sie den Kopf unten und stöberte in der Wickeltasche, ohne wirklich etwas zu suchen.
»Geh und hol den Kleinen«, sagte sie.
»Er ist bei Margaret, es geht ihm gut.«
Plötzlich hatte Hazel die Vision, das Baby ersticke an einem Stückchen Chips mit Krabbengeschmack – aber das konnte sie natürlich nicht aussprechen, denn wenn sie es ausspräche, würde sie sich wie ein Snob anhören. Es hatte den Anschein, als gäbe es, seit sie in Clonmel waren, einen Grund, nicht gleich jeden Gedanken auszusprechen, der ihr durch den Kopf ging.
»Wie ich das hasse«, sagte sie schließlich und ließ von der Tasche ab.
»Was?«
»Alles.«
»Hazel«, sagte er. »Wir amüsieren uns. So ist es eben, wenn Leute sich amüsieren.«
Und sie hätte heulen können, weil sie ein solcher Querkopf war, eine so erbärmliche Zicke, wäre ihr da nicht ein stiller Gedanke gekommen. Sie blickte zu ihm auf.
»Nein, tut ihr nicht«, sagte sie.
»Was?«
»Ihr amüsiert euch nicht.«
»Na gut«, erwiderte er. »Na schön. Ganz wie du meinst.« Und er wandte sich zum Gehen.
Margaret hatte dem Kleinen natürlich kein Stückchen Chips mit Krabbengeschmack zu lutschen gegeben, sondern ihn in einen glucksenden Fremdling verwandelt, der auf ihrem Knie saß und angeleitet wurde, in die Hände zu klatschen. Seine braunen Äuglein strahlten vor Entzücken, und er prustete vor Lachen. Zumindest, bis er Hazels Stimme hörte, sich umdrehte und zu greinen begann.
»Sag bloß nicht, das hätte dir nicht gefallen«, sagte Hazel, drückte ihn an ihre Schulter und fühlte sich verraten.
»Entschuldige«, erwiderte Margaret, »ich war ganz verrückt danach, ihn auch einmal zu nehmen.«
»Ach, jederzeit«, sagte Hazel verschmitzt. »Du kannst ihn behalten, wenn du möchtest.« Und hörte ihrem eigenen Hausfrauengerede zu.
Warum nicht? Sie setzte sich an den Tisch, warf ein weißes Babytuch über die schlimmsten Schleimspuren auf ihrer Brust
Weitere Kostenlose Bücher