Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
man einem Säugling auftragen musste, und der Art, wie er den kleinen Hut vom Kopf schüttelte. Außerdem gab es Fliegen, und ihre Schwägerin Margaret hatte keinen Sterilisator – wozu sollte sie auch? Hazel würde also Flaschen, Tassen und Löffel abkochen müssen bis zum Gehtnichtmehr. Dann würde John zu ihr an den Herd geschlurft kommen und sie bitten, sich zu beruhigen – sie würde also nicht nur alle Arbeit verrichten, sondern sich auch noch dafür entschuldigen müssen, dabei sollte sie sich doch amüsieren. Sie sollte draußen sitzen und zuschauen, wie sich die Schmeißfliegen mit ihren bekackten Füßen auf dem Sauger des Babyfläschchens niederließen, während sich alle anderen in der Sonne volllaufen ließen.
Sie erinnerte sich an einen Mann im Hotelfoyer, sehr hochgewachsen, der sein Baby wie ein neugeborenes Lamm behandelte; er ließ es auf dem Bauch über den Teppich krabbeln. Und Hazel hatte sich flüchtig gewünscht, stattdessen mit ihm verheiratet zu sein.
Nun griff sie mit dem Arm, der das Baby hielt, nach einer Schüssel Kartoffelsalat und mit dem anderen nach einer
Partypackung Chips, öffnete mit dem Fuß die Schiebetür und trat über die Chromschiene auf die Gartenstufe. Der Kleine vergrub sein Gesicht an ihrer Schulter und wischte sich an ihrem T-Shirt das Näschen ab. Er hatte eine Erkältung, sodass Hazels marineblaues Top von Schleimspuren überzogen war, die wie Kriechspuren einer Schnecke aussahen. Es hatte etwas total Deprimierendes, mit Rotz beschmiert zu sein. Damit hatte sie einfach nicht gerechnet. Sie wollte sich umziehen, aber das Baby wollte sich nicht absetzen lassen, und John, nach dem sie Ausschau hielt, spielte mit seiner Nichte und seinen Neffen unter den Apfelbäumen Rounders. Er sah sie und winkte. Sie stellte die Schüssel und die Chips auf den Gartentisch und schützte den Kopf des Babys vor dem harten Ball.
Der Schweiß des Babys unter dem Flaum war so fein, dass er verdunstete, sobald sie die Hand hob. Frauen wissen gar nicht, dass sie etwas versäumen, bis sie diese Glätte erleben, angesichts der Tatsache, dass Männer so grob sind, so rau – oder wie sind sie? Sie versuchte, sich daran zu erinnern, wie behaglich es auf Johns Bauch war, wenn sie die Härchen alle in eine Richtung strich, oder daran, wie schockierend seidig sogar sein Schwanz war, wenn er in ihrer Hand steif wurde, doch in letzter Zeit war John so schwerfällig und breit, und immer war es zu lange her, dass er sich rasiert hatte.
»Grrrr …«, sagte Margaret neben ihr, als sie eine Tüte Chips aus der Partypackung zerrte. So ist das, wenn man Kinder hat, dachte Hazel, man frisst ihnen alles weg – Margarets Kinder aßen, soweit sie sah, gar nichts. Sie aßen überhaupt nichts. Trotzdem waren sie alle dick.
»Essen!«, rief Margaret in den Garten, und Hazel drehte das Baby von dem plötzlichen Lärm weg.
»Jungs! Steffie! Bitte! Kommt und esst.«
Ihre Stimme flog wie ein Festkörper durch die Luft, man spürte fast, wie sie auf dem Kopf des Babys aufschlug. Doch ihre Kinder ignorierten sie ebenso wie John. Seit er nach Hause gekommen war, hatte er kein Benehmen mehr. Er tat so, als existiere seine Schwester gar nicht, oder doch nur ein bisschen.
»Wie läuft’s bei der Arbeit?«, könnte sie fragen, und er würde antworten: »Gut.« Als wollte er sagen: Was für eine blödsinnige Frage .
Hazel geriet in leichte Panik. Dabei war er zu ihr eigentlich gar nicht so. Zumindest bisher nicht. Und um die drei kleinen Kinder seiner Schwester kümmerte er sich ganz liebevoll, warf sie in die Höhe und fing sie wieder auf. Dennoch fiel Hazel das Atmen schwer; sie hatte das Gefühl, als liege das Baby noch immer in ihrem Bauch, drücke gegen ihre Lungen und verenge alles.
Aber das Baby lag nicht in ihrem Bauch. Das Baby lag in ihren Armen.
»Essen!«, rief Margaret erneut. »Wird’s bald?«
Doch noch immer schenkte ihr niemand Gehör. Hazel würde selbst schreien müssen, aber dann würde das Baby auf jeden Fall anfangen zu weinen. Sie stand an dem schmiedeeisernen weißen Tisch mit den Salaten, der Orangenlimo und dem Schinken und betrachtete dieses perfekte Tableau einer Familie beim Spielen, während Margaret neben ihr sagte: »Gott schütze mich vor Chips
mit Krabbengeschmack«, eine der zerknitterten Tüten aufriss und ihre Hand eintauchte.
Der Ball sprang an Hazels Fuß vorbei. John sah die ganze Länge des Gartens herauf zu ihr.
»He!«, rief er.
»Was?«
»Der Ball.«
»Wie
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