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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Bjaerbo
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machen!«
    »Wir verkaufen hier keine Schokoladenkugeln.«
    »Dann ist es höchste Zeit, damit anzufangen.«
    Was ich Papa von wegen Vertrag erzählt habe, stimmt nicht so ganz.
    Der graue Mann hält nicht viel von diesem Papierkram. Aber Zusatzleistungen kriege ich! Gratis Mittagessen. Und neunzig Kronen Lohn die Stunde. Verglichen mit dem Schüler-Bafög ist das so viel, dass ich es kaum fassen kann. Mir wird ganz schwindelig, als ich es mir auf der Zunge zergehen lasse: Schule schmeißen und Geld verdienen. Warum schmeißen nicht mehr Leute das Gymnasium und fangen an zu arbeiten? Völlig unbegreiflich.
    * * *
    Fanny reagiert nicht so begeistert wie erhofft, als ich ihr von meiner erfolgreichen Jobsuche berichte. Ich finde sie nach der letzten Stunde auf dem Schulhof in einer Traube anderer hirnträger Gymnasiasten.
    »Du fängst in einem Café an?«, fragt sie und kräuselt die Oberlippe.
    Wie sie das sagt, klingt das ungefähr so attraktiv wie ein Stück Scheiße im Mund.
    »Du hast die Schule geschmissen, um in einem Café zu arbeiten? Was wird jetzt aus deinen Großtaten?«
    Seit wann ist Fanny so nervig? Seit wann vernachlässigt sie ihre Rolle als beste Freundin derart massiv? Ich meine: Ist nicht ein entscheidender Punkt bei besten Freunden, dass sie einen unterstützen und anfeuern und bei jedem Erfolg im Leben begeistert mit Pompons in der Luft rumwedeln? Ich finde schon. Über Fannys Lippen ist noch kein einziger Anfeuerungsruf gekommen, seit ich ihr von meinen Plänen, die Schule zu schmeißen, erzählt habe. Sie scheint das persönlich zu nehmen, was ich ziemlich überflüssig finde. Ich hab mich ja nicht gegen sie entschieden.
    »Ein kleiner Glückwunsch hätte schon genügt«, sage ich sauer.
    »Klar, herzlichen Glückwunsch auch«, sagt sie sarkastisch. »Das wird bestimmt ganz toll.«
    Ich trete mit der Fußspitze gegen den Stromkasten, auf dem sie sitzt.
    »Du darfst bestimmt viel spülen«, redet sie weiter. »Das hast du ja schon immer gern gemacht. Und Brote schmieren. Und Kaffeeflecken und Krümel von den Tischen wischen. Und Klos putzen, auf denen alte Opas daneben gepinkelt haben. Und auf Mayonnaise ausrutschen, die jemand auf den Küchenboden gekleckert hat. Und dich dann auch noch anmeckern lassen, weil eure Sachen zu teu…«
    »Danke«, falle ich ihr ins Wort. »Ich hab verstanden.«
    Ich weiß nicht, vielleicht sollte ich Fanny auch schmeißen, wo ich schon mal dabei bin?
    Sie ist im Moment nicht sehr sympathisch.
    Ich funkele sie an.
    Sie hat ihr blondes Haar zu einem Zopf zusammengebunden und an ihrem einen Ohrläppchen baumelt ein roter Flamingo. Jeans, Sneakers, ein plötzlich schlechtes Gewissen, das ihr nicht steht. Und der gestreifte Pulli ist irgendwie hässlich, so nichtssagend.
    »Tut mir leid«, sagt sie und tippt mich mit der Schuhspitze an.
    »Mh«, antworte ich.
    * * *
    Wenn ich genauer darüber nachdenke, läuft es zwischen Fanny und mir schon seit einer Weile nicht mehr ganz optimal. Ziemlich lange schon, eigentlich. Seit dem Frühjahr, als wir uns für die Fachausrichtung am Gymnasium entscheiden sollten und meine instinktive Reaktion war: Oh man, ist das wirklich nötig?, und Fannys instinktive Reaktion war: Jubidubiduu, drei Jahre länger Lernen!
    In der Beziehung liefen unsere Interessen etwas auseinander, könnte man sagen. Eine wirkliche Überraschung war das nicht – Fanny ist schon immer total auf Internatsgeschichten abgefahren und hat davon geträumt, in preppy Schuluniformen und mit einem Stapel Bücher unterm Arm durch traditionsreiche Gebäude zu wandeln. Sie hat einen Ordner mit Register und einem eigenen Abteil für jedes Fach, in dem sie ihre Notizen aus den Unterrichtsstunden sammelt, die sie mit unterschiedlichen Farben schreibt. Und wenn sie sich mal verschreibt, streicht sie auf keinen Fall durch, sondern nimmt freaking Tipp-Ex. Wahrscheinlich ist sie der letzte Mensch auf der Welt, der das Zeug noch benutzt. Und dann würde sie am liebsten bis spät in die Nacht in der Bibliothek sitzen und für den Test am nächsten Tag pauken, obwohl sie längst schlafen sollte, nach dem Motto: Cogito, ergo sum.
    Ich bin da ganz anders. Ich hab nichts gegen Bibliotheken oder Schuluniformen oder traditionsreiche Gebäude, aber es turnt mich halt nicht auf die gleiche Weise an wie Fanny. Außerdem brauche ich keinen Ordner für meine Notizen, weil ich bei Bedarf einfach Fannys kopiere.
    Oder, na ja, Fannys kopieren könnte. Bevor sie so unausstehlich geworden ist

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