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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Bjaerbo
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Zurückhalten von Informationen, wenn man so will.
    Ich muss heute nicht arbeiten. Den Rest verschweige ich.
    Der Rest ist so … wie soll ich es ausdrücken? Ein unangenehmes Thema eben. Ich habe noch nicht ganz rausgefunden, wie ich es ihnen sagen soll, ohne sie zu traumatisieren. Dass es keine Arbeit mehr gibt, zu der ich gehen kann. Dass ihre Tochter arbeitslos und ohne konkreten Aktionsplan ist. Wieder mal. Aber ich sage nicht nichts, um sie zu ärgern, wirklich nicht. Es gibt nur gerade so viele andere Baustellen. Es ist einfach nicht der geeignete Moment dafür.
    »Hm«, sagt Papa, wendet sich wieder seiner Zeitung zu und fragt nicht weiter. Die Erleichterung ist wie eine wärmende Decke. Ich schlucke. Ich muss es ihnen so schnell wie möglich sagen, so viel ist sicher.
    Ich frage mich nur, wie.
    * * *
    Ich übe schon mal mit einer SMS an Siri. Bevor ich’s versäume, dir mitzuteilen: Ich hab gekündigt. Sie antwortet unmittelbar. WIE BITTE? Ich schreibe: Frag Sofia. Oder Torsten. Bekomme zur Antwort: Kann ich ihrer Version trauen? , worauf ich antworte: Sicher nicht. Geh vom Gegenteil aus.
    * * *
    Wie lang die Tage sind, wenn man nichts zu tun hat und niemand da ist, mit dem man was unternehmen kann. Als Papa mit dem Frühstück fertig ist und zur Arbeit fährt, bin ich allein zu Hause. Es gibt niemanden, den ich anrufen könnte. Alle sind in der Schule. Oder schlimmer: haben eine Arbeit.
    Ätzend.
    Ich lege mich aufs Bett und starre an die Decke. Der Einzige, der mir einfällt, der tagsüber auch nichts zu tun hat, ist Isak, aber ihn kann ich ja wohl schlecht anrufen, das ist selbst mir klar. Erstens: weil ich gar nicht seine Nummer habe. Zweitens steht dem noch einiges andere im Weg, hab ich das Gefühl.
    Ich denke an die Besenkammer und es macht Klick in mir. Vielleicht ist das Klicken ein Lachen, das rauswill. Ein erstauntes Lachen. Hab ich das wirklich getan? Wir?
    Oder das Klicken bedeutet was ganz anderes.
    Ich schiebe eine Hand unter meinen Pullover und lege sie auf den Bauch, um nachzuspüren, ob noch was von dem Besenkammergefühl unter der Haut steckt.
    Hier hat Isak seine Hand gehabt.
    So haben sich seine Fingerspitzen angefühlt.
    Es zieht in meinem Bauch, als ich daran denke, also lasse ich die Hand dort liegen.
    Im Grunde genommen weiß ich gar nichts von ihm. Wieso hat er Zeit, ständig im Café rumzuhängen, während alle anderen Menschen beschäftigt sind? Was macht er eigentlich mit seinem Leben? Wenn er nicht in einer Besenkammer seinen Körper an meinen presst?
    Ich fahre gedankenverloren mit dem Finger unter meinem Slipbündchen entlang.
    Das habe ich im Dunkeln von mir geworfen, denke ich.
    Das Ziehen im Bauch wird intensiver.
    Das habe ich von mir geworfen, damit Isak mir mit seinen Händen, mit seinem ganzen Körper noch näher kommen konnte. Und hier lag seine andere Hand, seine Zunge an meinem Hals, sein heißer Atem in meinem Haar, als ich ihn an mich gezogen habe.
    Ich schiebe meinen Slip ein Stück runter und überlasse der Erinnerung an Isak und die Besenkammer das Ruder, bis ich vor lauter Erinnerung am ganzen Körper zittere.
    Hinterher denke ich, dass ich wohl doch nicht komplett gefühlskalt und abgestumpft bin. Ein schönes Gefühl. Und auch, wenn das nicht ganz in Ordnung ist, wenn ich das hier eigentlich nicht fühlen sollte, scheiß ich ein bisschen darauf. Weil ich wenigstens etwas fühle, genug, um wieder Hoffnung zu schöpfen.
    * * *
    »Mein Gott!«, sagt Siri. »Haben sie das wirklich gesagt?«
    Wir sitzen am Küchentisch in ihrer winzigen Wohnung und trinken abgestandene Cola. Das war das Einzige, was außer einer Flasche Ketchup und einem Glas Marmelade mit Schimmelpelz in ihrem Kühlschrank stand.
    »Ja«, sage ich.
    Ich hasse abgestandene Cola, trotzdem bin ich neidisch auf Siri. Eine eigene Wohnung. In der man seine eigene Herrin ist. Mit einem eigenen Fernseher, der die ganze Nacht laufen kann, ohne dass jemand meckert. Und einem eigenen Kühlschrank, in dem Marmeladengläser stehen können, bis sie einen Schimmelpelz bekommen. Ein eigenes Leben. LUXUS! Ich sehe mir lüstern alle ihre Sachen an. Eigene Kaffeebecher! Eine eigene Küchenlampe! Eine eigene tote Pflanze auf der Fensterbank! Ich will auch.
    »Kein Wunder, dass du gekündigt hast.«
    Ich habe mich nach der Arbeit mit Siri auf neutralem Boden getroffen und sitze nun an ihrem Küchentisch, um ihr absolut alles zu erzählen, damit sie die wahre Version bekommt.
    »Stimmt, finde ich auch.«
    Ich nehme

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