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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Bjaerbo
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was.«
    Fanny hat mich fast eine halbe Stunde kommentarlos von Anfang an erzählen lassen. Von Sofia. Und Torsten. Von der Standpauke. Und von Isak. Von allem. Ihr war anzusehen, dass sie mich ein paar Mal am liebsten unterbrochen und mit Fragen bombardiert hätte, aber sie hat sich beherrscht. Ich bin schwer beeindruckt.
    Jetzt schüttelt sie den Kopf, als könnte sie nicht glauben, was sie hört.
    »Und du hast Isak wirklich in die Besenkammer gezerrt und am Stahlwaschbecken Sex mit ihm gehabt?«, fragt sie. »In dem Café? Während der Arbeitszeit? Einfach so?«
    Ich nicke.
    Hab ich, einfach so, das stimmt.
    »Mein Gott, Alicia«, sagt Fanny matt. »Du schockierst mich.«
    Ich lache.
    »Ja«, sage ich. »Das verstehe ich. Ich bin auch ganz schockiert von mir.«
    * * *
    Abends packt Mama mich an den Schultern und zwingt mich, ihr in die Augen zu sehen.
    »Ich weiß, dass du mich nervig findest«, sagt sie. »Aber ich mache mir wirklich Sorgen. Du wirkst so …«
    Aus dem Gleichgewicht? Abgestumpft? Wirr im Kopf?
    Mama seufzt.
    »Ich weiß nicht«, sagt sie. »Wahrscheinlich will ich nur hören, dass du okay bist. Bist du okay?«
    Ich zucke mit den Schultern.
    Gute Frage.
    Bin ich okay?
    * * *
    Eine Erinnerung. Omas Augen bohren sich in meinen Blick und halten ihn fest, ich kann nicht weggucken, obwohl ich es will.
    »Du schaffst das, Alicia. Du hast noch immer alles geschafft.«
    Ich kann mich nicht mehr erinnern, was passiert war. Hatte ich mich mit jemandem gestritten? Irgendwas angestellt? Was sollte ich schaffen? Ich bin nicht sicher. Erinnere mich nur an ihren Blick und die überzeugende Stimme und dass ich dachte: Okay, dann schaff ich es wohl.
    Jetzt frage ich mich, wie sie damals so sicher klingen konnte.
    * * *
    Ich gehe nie wieder zur Arbeit.
    Das ist kein bewusster Entschluss, es ergibt sich einfach so.
    Als ich am Morgen nach dem Besenkammerzwischenfall aufwache und meine Füße vor dem Bett aufstelle, weiß ich, dass es so nicht weitergehen kann. Unmöglich. Ich kann nicht länger hinter dem Tresen in dem Café stehen und mir Torstens Schwabbelwampe und Sofias verkniffenen Mund ansehen und ihre Scheißvorwürfe anhören, ohne innerlich daran zu krepieren, und ich hab keine Böcke, innerlich zu krepieren, wirklich nicht, ich will leben.
    * * *
    Ach nein, noch mal zurückspulen. Natürlich gehe ich zur Arbeit. Ein Mal noch.
    Beschließe ich, nachdem ich meine Füße auf den Boden gestellt und ein wenig nachgedacht habe. Wenn man einen Job beendet, gehört ja wohl auch dazu, dass man seinen Arbeitgeber davon unterrichtet, oder? Denke ich jedenfalls.
    Ich ziehe mein Pünktchenkleid an, meine rotesten Schuhe und setze mein aufmüpfigstes Gesicht auf, bevor ich in gemächlichem Tempo zum Kaffee & Träume radele, das Café betrete und meinen ersten Job kündige.
    Ich marschiere an Ellen vorbei, die an der Kasse steht, stapfe die Treppe hoch in das Chaoszimmer zu Torstens Schreibtisch und klopfe ihm etwas zu hart auf die Schulter. Er zuckt zusammen.
    »Ich möchte kündigen«, sage ich.
    »Was?«, sagt Torsten überrumpelt.
    »Ich werde nicht länger hier arbeiten«, sage ich.
    »Öh …«, sagt Torsten.
    Danach erkläre ich ihm, wieso ich mich weigere, für einen Chef zu arbeiten, der mir Dinge vorwirft, die ich nicht getan habe. Das ist unter meiner Würde, sage ich. Torsten sagt noch immer nichts, er sitzt da und glotzt mich an wie ein Schaf. Als ich fertig bin, nickt er.
    »Alright«, sagt er und seufzt. »Du hörst dich sehr entschieden an. Dann wird es wohl so sein.«
    Als ob er in der Angelegenheit irgendwas zu melden hätte. Als ich das Café verlasse, schlage ich die Tür mit einem symbolischen Knall hinter mir zu.
    * * *
    »Klappe«, sage ich zu Fanny. »Sag es nicht. Bitte!«
    »Was?«
    »Was dir auf der Zunge liegt. Das verkrafte ich jetzt nicht.«
    »Ich wollte doch nur fragen, ob du was …«
    »Nein.«
    »Was, nein?«
    »Frag nicht. Besonders das nicht.«
    * * *
    »Musst du heute nicht arbeiten?«
    Papa sieht mich fragend über seine Schale mit Frühstücksflocken an. Es ist ein ganzer Tag vergangen, seit ich arbeitslos bin, ohne dass einem von ihnen aufgefallen ist, dass ich ungewöhnlich viel zu Hause bin. Wahrscheinlich muss ich dankbar sein, dass er erst jetzt fragt. Trotzdem löst sein väterlich besorgter Blick ein Kribbeln in meinem ganzen Körper aus. Aber ich bin noch nicht so weit.
    »Nein«, sage ich schnell. »Heute nicht.«
    Das ist keine Lüge, ich lüge nie. Eher ein Grenzfall.

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