Alles was ich sage ist wahr
SMS reagiert, die ich mindestens hundertmal gelesen habe. Nicht, weil ich nicht antworten oder nichts mit ihm zu tun haben wollte. Das will ich nämlich. Glaube ich. Ich weiß nur nicht so genau, auf welche Weise ich was mit ihm zu tun haben will. Oder was ich sagen soll. Das ist gar nicht so einfach, wie man immer denkt! Ich ertappe mich zwischendurch zwar immer wieder mit einem seligen Lächeln im Gesicht, wenn ich an ihn denke. Aber was genau heißt das? Irgendwie weiß ich nicht, wo Isaks Platz sein soll in meinem momentanen Leben. Mein Kopf ist ein einziges Vakuum nach Omas Tod.
Ich logge mich aus und gehe in die Küche.
Mir ist schon klar, wie er das wahrscheinlich interpretieren wird, aber da kann ich mal gerade nichts dran ändern.
Wenn ich es nun mal nicht weiß, weiß ich es nicht, so einfach ist das.
Er wird sich noch etwas gedulden müssen.
* * *
Agnes wohnt in einem gigantisch großen Haus mit Pool im Keller. Und Agnes legt sehr großen Wert darauf, das auch nach außen zu demonstrieren.
»Und hier unten im Keller ist unser Pool«, sagt sie. »Wollt ihr ihn sehen?«
Es sieht nicht so aus, als wäre der Pool in letzter Zeit benutzt worden, weil eine ziemlich dicke Staubschicht auf den Möbeln liegt, die um das Becken herum stehen, und es riecht muffig, aber das scheint Agnes nicht zu tangieren.
»Im Winter ist so ein Innenpool besonders toll«, sagt sie zu dem Pulk Mitschüler, den sie auf die Besichtigungstour mitgenommen hat. »Erst in die Sauna und dann in den Pool, das ist herrlich.«
Alle nicken zustimmend.
Alle sind voll beeindruckt.
»Können wir später baden?«, fragt Ivan und wartet Agnes’ Antwort gar nicht ab. »Baden ist cool! Wer ist dabei?«
Agnes ist definitiv not amused, als alle johlen und die Hände in die Luft strecken. Sie schiebt uns aus dem Poolraum und macht die Tür hinter sich zu.
»Mal sehen«, sagt sie. »Jetzt gehen wir erst mal wieder hoch.«
Ich kann nicht behaupten, dass es eine besonders lustige Fete wäre. Jedenfalls nicht revolutionär. Es ist eigentlich wie immer. Die Leute schütten mehr oder weniger Alkohol in sich rein, werden mehr oder weniger laut, geben mehr oder weniger großen Schwachsinn von sich und rücken sich näher auf die Pelle, als sie sich normalerweise jemals trauen würden. Nach einer Weile sitze ich eingeklemmt zwischen Fanny und einem Typen, der Hacke oder Macke oder so ähnlich heißt, ich hab nicht genau mitbekommen, was er gesagt hat, und es interessiert mich auch nicht. Ich hab ihn noch nie gesehen. Er trinkt Bier aus der Dose, riecht nach Deo und hat seinen Arm so auf die Sofalehne gelegt, dass ich ihn berühren würde, wenn ich mich zurücklehne.
»Du gehst aber nicht in Agnes’ Klasse, oder?«, fragt er.
»Nein.«
»Ich kenn dich nämlich gar nicht.«
»Aha.«
Er fährt sich mit der freien Hand durchs Haar.
»Ich geh zwar auch nicht in ihre Klasse, hab aber trotzdem einen gewissen Überblick«, sagt er stolz.
»Ah ja.«
»Ja … aber dich hab ich irgendwie noch nicht gesehen.«
Das sagtest du bereits.
Hacke-Macke trinkt einen Schluck aus seiner Dose und schlürft, um nicht zu schlabbern.
»Und in welche Klasse gehst du dann?«, will er wissen.
Ich seufze und gebe mir nicht mal Mühe, zu verbergen, dass er mir auf den Senkel geht. Ich hab schon lange keine so unspannende Unterhaltung mehr geführt.
»Ich gehe nicht zur Schule«, sage ich. »Ich habe abgebrochen.«
»Echt? Warum das denn?«
Ich stehe auf und ziehe Fanny hoch.
»Weil mich die Schule zu Tode gelangweilt hat«, sage ich und setze mich in Bewegung. »Und weil da so viele Idioten sind.«
Ich weiß nicht, ob er das Letzte gehört hat, hoffe es aber.
Fanny sieht mich streng an, sobald wir aus dem Wohnzimmer raus sind.
»Musste das sein?«
»Was?«
»Hallo?«
Ich reiße die Augen auf und versuche, erstaunt auszusehen.
»Was, hallo? Was hab ich denn gemacht?«
Fanny durchbohrt mich mit ihrem Blick, aber das macht nichts, weil sie nicht wirklich sauer ist, das sehe ich gleich.
»Backe hat dir doch nichts getan?« Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. »Heißt er Backe?«, sage ich. »Ich hab verstanden, er heißt Hacke oder Macke.«
Fanny kichert.
»Nein, Backe. So hat er sich jedenfalls vorgestellt.«
»Der Arme!« Ich fühle mich plötzlich wieder obenauf. »Das ist doch kein Name, das ist ein Körperteil!«
»Stimmt«, sagt Fanny. Sie kann auch nicht mehr richtig ernst bleiben. »Aber deswegen hat er dir trotzdem nichts
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