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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Bjaerbo
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wollte. Bemerkenswert. Zehn Tage und eine Beerdigung lang bin ich wie unter einer Glasglocke rumgelaufen und konnte mir bei aller Mühe nicht mal eine Pseudoträne abringen und jetzt sitze ich hier mit Isak und tropfe mein T-Shirt mit Tränen voll, nasse Flecken auf schwarzem Stoff. Ich merke, dass mir Schnodder aus der Nase läuft. Das ist fantastisch. Ich bin so erleichtert, wieder etwas zu fühlen, dass ich am liebsten zu weinen aufhören und lachen würde, aber das funktioniert nicht, weil die Tränen sich nicht bremsen lassen, von denen ich ein ganzes Meer in mir angesammelt zu haben scheine. Ich weine ohne Unterlass und dann erhasche ich einen Blick auf Isak auf der anderen Tischseite. Er sieht aus, als würde er sich ein Loch im Boden wünschen, in dem er verschwinden kann.
    »Was …?« Er sieht mich verunsichert an und wischt mit den Fingern über das Kreuzworträtsel. »Kann ich was machen?«
    Ich schniefe und schüttele den Kopf. Vielleicht sollte ich mich seinetwegen ein bisschen zusammenreißen, aber das schaffe ich nicht. Ich heule weiter wie ein Schlosshund, als gäbe es kein Morgen. Lege den Kopf auf die Arme und schluchze sogar.
    Nach einer Weile legt sich Isaks Arm um meine Schultern. Er ist auf meine Tischseite gekommen, sitzt jetzt neben mir und streichelt mir mit der Hand übers Haar. Mein erster Gedanke ist, dass wir uns eigentlich nicht gut genug kennen, um uns gegenseitig übers Haar zu streicheln. Mein zweiter Gedanke ist, dass es trotzdem okay ist. Wir kennen uns auch nicht gut genug für meine hemmungslose Flennerei. Außerdem fühlt sich seine Hand auf meinem Haar gut an, sein Arm um meine Schultern. Vertraut, irgendwie. Ich hebe den Kopf, drehe mich zu ihm und drücke meine Nase in seinen Strickpullover. Und während er nun beide Arme um mich legt, heule ich weiter, als wäre es das Normalste von der Welt.
    * * *
    Meine süße, runzlige Oma wird nie mehr Kaffee aus ihrer Lieblingstasse trinken. Das begreife ich, glaube ich, erst in diesem Moment in ihrer Küche. Dass sie weg ist. Dass sie nie mehr an diesem Tisch sitzen, langweilige Butterkekse knabbern und »Hallo, mein Mädchen« sagen wird und nicht weiß, wie die Schauspielerin auf dem Bild in dem Kreuzworträtsel heißt. Dass all das ein für alle Mal vorbei ist, dass sie nicht wiederkommt.
    Dass sie nie mehr zurückkommt.
    Von allen Dingen, die mir in den letzten Tagen durch den Kopf gegangen sind, schmerzt der Gedanke am meisten.
    Ich weiß nicht, wie ich das Vermissen ertragen soll.
    * * *
    Keine Ahnung, wie lange ich mit dem Gesicht an Isaks Pullover gedrückt geweint habe, aber als der Krampf in den Schultern endlich nachlässt und mein Atem wieder ruhiger geht, tut mir der Rücken weh, weil ich so lange verdreht auf dem Stuhl gesessen habe. Ich bin erschöpft. Erschöpft und leer und ganz zerfasert.
    Isak streichelt mir noch immer übers Haar. Vor und zurück, eine mechanische Bewegung ohne Anfang und Ende, fast einschläfernd. Er hat seit einer Ewigkeit keinen Ton mehr gesagt, einfach nur dagesessen und mir seinen Pullover und seine Arme zur Verfügung gestellt und mich heulen lassen, so lange ich will, ohne mich zu unterbrechen.
    Das fühlt sich gut an.
    Er fühlt sich gut an.
    Ich atme tief durch das Strickmuster über seinem Brustkorb ein. Der Pullover riecht nach einer Mischung aus ihm und meinem Parfüm. Eine gute Mischung, denke ich, das passt. Dann reiße ich meinen Kopf von dem Pullover los, wische mir mit beiden Händen durchs Gesicht und gucke zu Isak hoch.
    »Hallo«, sage ich vorsichtig.
    »Hallo, du«, sagt er und fährt mit seinem Daumen erst unter meinem einen, dann unter dem anderen Auge entlang, und ich sehe, dass er grauschwarz von der verschmierten Schminke wird.
    »Meine Oma ist vor Kurzem gestorben«, sage ich.
    Er nickt, sagt aber nichts, also rede ich weiter.
    »Wir haben eine Weile zusammengewohnt. Ich dachte nicht … Ich war nicht mehr hier, seit es passiert ist. Ich hatte keine Ahnung, dass es sich so anfühlen würde, wieder hier zu sein.«
    Er spielt zerstreut mit meinen Fingern.
    »War sie alt?«, fragt er.
    Ich nicke.
    »Scheißalt und runzlig und die coolste Oma der Welt.«
    Isak lächelt.
    »Kein Wunder, dass du traurig bist.«
    »Nein.«
    Viel mehr sagen wir nicht, aber das reicht.
    Ich bin traurig. Kein Wunder. Manchmal ist es so einfach.
    Ich schaue unsere Hände an. Sie liegen in einem verschlungenen Haufen auf seinem Oberschenkel. Wie sind sie da gelandet? Und wie lange liegen sie schon

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