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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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schreiben«, sagte er. »Ich sehe ihnen lieber zu, höre, was sie sagen, und mach mir dann selbst ein Bild. Über die Dinge und wie sie scheinen. Ich mag Dialoge. Sie reden, und man versteht alles. Magst du John O’Hara? «
    »Na ja, manches«, sagte Bowman. »Ich mag manches von O’Hara.«
    »Was stört dich an ihm?«
    »Er ist mir manchmal zu gehässig. «
    »Er schreibt nun mal über die Art von Mensch. Begegnung in Samarra ist ein großartiges Buch. Hat mich einfach umgehauen. Er war achtundzwanzig, als er es schrieb.«
    »Tolstoi war jünger. Tolstoi war dreiundzwanzig.«
    »Als er was geschrieben hat?«
    » Kindheit , Knabenjahre, Jünglingsjahre . «
    Eddins hatte es nicht gelesen. Er hatte nicht einmal davon gehört, wie er gestand.
    »Es hat ihn über Nacht berühmt gemacht«, sagte Bowman. »Im Grunde sind alle über Nacht berühmt geworden, das ist das Interessante. Fitzgerald, Maupassant, Faulkner, ich meine, als er Die Freistatt schrieb. Du solltest Kindheit und Jugend lesen. Es gibt darin ein wunderbares kleines Kapitel, in dem Tolstoi über seinen Vater schreibt. Groß und kahlköpfig, mit nur zwei großen Leidenschaften in seinem Leben. Man würde denken, er meinte seine Familie und seine Ländereien, aber es waren das Kartenspiel und die Frauen. Ein unglaubliches Kapitel.«
    »Weißt du, was sie mir heute gesagt hat?«
    »Wer?«
    »Gretchen. Sie meinte, die vom Bolschoi seien in der Stadt.«
    »Ich wusste gar nicht, dass sie sich fürs Ballett interessiert.«
    »Sie hat mir auch gesagt, was Bolschoi bedeutet. Es bedeutet groß, immens.«
    »Und?«
    Eddins formte mit beiden Händen jeweils eine Kuhle.
    »Warum tut sie mir das an?«, sagte er. »Ich hab ihr ein Gedicht geschrieben. Wie das von Byron an Caroline Lamb, eine der vielen Frauen oder Herzoginnen, die er beglücken durfte.«
    »Er ließ sich eben vom dionysischen Strom mitreißen«, sagte Bowman.
    »Dionysischer Strom? Was soll das schon wieder heißen? Das Gedicht geht auf jeden Fall so: »Bolschoi, Oh, boy «.
    »Und was soll das heißen?«
    »Machst du Witze? Sie hält sie einem ja förmlich unter die Nase.«
    »Und wie geht Byrons Gedicht?«, sagte Bowman. »Ich kenne es nicht.«
    »Es soll das kürzeste Gedicht sein, das je in englischer Sprache geschrieben wurde, auch wenn meins wohlgemerkt kürzer ist. › Caro Lamb, God damn.‹ «
    »War das die, die er geheiratet hat?«
    »Nein, sie war schon verheiratet. Sie war die Herzogin. Würde ich auch ein oder zwei Herzoginnen kennen, wäre ich bestimmt ein besserer Mensch. Vor allem, wenn sie der Schönheit zugeneigt wäre, ich meine natürlich, die Schönheit muss ihr zugeneigt sein. Im Grunde müsste sie nicht mal Herzogin sein. Klingt fast ein wenig vulgär, findest du nicht? Auf der Highschool hatte ich eine Freundin – ich meine, es ist natürlich nie was passiert –, sie hieß Ava. Ein schöner Name. Und ihr Körper erst. Na ja. Ich frage mich, wo sie wohl ist, ich meine jetzt, wo wir erwachsen sind. Ich sollte ihre Adresse rausfinden, außer sie ist verheiratet. Schrecklicher Gedanke. Aber dann auch wieder nicht so schrecklich, wenn man es bedenkt.«
    »Wo bist du zur Schule gegangen?«
    »Im letzten Jahr war ich auf einem Internat in der Nähe von Charlottesville. Wir aßen dort immer alle zusammen im Speisesaal. Und der Direktor hat Dollarscheine verbrannt, um uns die richtige Einstellung zum Geld beizubringen. Er hat jeden Morgen ein hartgekochtes Ei gegessen. Mit Schale. Das hab ich nie fertiggebracht, nicht mal, wenn ich wirklich hungrig war. Ich meine wirklich hungrig. Ich denke, ich war wegen Ava dort und dem, was hätte passieren können. Bei mir zu Hause glaubte man nicht an Sex.«
    »Welche Eltern tun das schon?«
    Sie saßen mitten in der überfüllten Bar. Die Türen zur Straße standen offen, und der Lärm der Züge, ein lautes Krachen wie von einer Welle, dröhnte von Zeit zu Zeit über sie hinweg und verschluckte, was sie sagten.
    »Kennst du den von dem ungarischen Herzog?«, sagte Eddins. »Also, da gab es diesen Herzog, und eines Tages kommt seine Frau und sagt, dass ihr Sohn jetzt erwachsen würde, und ob es nicht Zeit sei, ihm von den Bienchen und den Blümchen zu erzählen. Gut, sagte der Herzog, und nimmt den Jungen mit auf einen Spaziergang. Sie gehen also zum Fluss und stehen auf der Brücke und sehen den Bauernmädchen zu, die am Fluss unten Wäsche waschen. Der Herzog sagt, deine Mutter will, dass ich dir von den Bienchen und den Blümchen erzähle. Ja,

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