Alles, was ist: Roman (German Edition)
wahrscheinlich gehofft, ich würde das Geld nehmen und abhauen. Hat es sogar angedeutet. Auf jeden Fall sind wir sozusagen durchgebrannt. Woher kommst du?«
»New Jersey«, sagte Bowman. »Aus Summit.«
Er stamme auch aus dem Osten, sagte Bryan.
»Wir wohnten in Mount Kisco. In der Guard Hill Road – auch Bankierstraße genannt, jedes Haus dort gehörte einem Partner der Morgan Bank.«
Sie hatten eine Garage mit vier Stellplätzen. Es gab auch drei Wagen und einen Chauffeur.
»Sein Name war Redell. Er war auch der Koch, ein unheimlicher Kerl«, sagte Bryan heiter. »Er hat uns jeden Morgen zur Schule gefahren. Wir hatten einen Buick und einen Hispano-Suiza, ein riesiges Gerät, mit Trennwand und einem Sprachrohr zum Fahrer. Jeden Morgen beim Frühstück fragte Redell, welchen Wagen nehmen wir heute, den Buick oder den Schnurrpott – so nannten wir ihn. Und dann, wenn wir ein Stück vom Haus weg waren, sind wir gefahren.«
»Ihr seid gefahren?«
»Mein Bruder und ich.«
»Wie alt wart ihr?«
»Ich war zwölf und Roddy zehn. Wir haben uns abgewechselt. Wir haben Redell quasi gezwungen. Ihm gedroht. Wir sagten, wir würden erzählen, er hätte uns belästigt. Todesfahrten haben wir sie genannt.«
»Wo ist Roddy jetzt?«
»Nicht hier. Er lebt im Westen. Er arbeitet dort beim Bau. Er mag das Leben dort.«
Beverly gesellte sich zu ihnen.
»Wir haben über Roddy gesprochen«, erklärte Bryan.
»Armer Roddy. Bryan liebt Roddy. Hast du Geschwister?«, fragte sie Bowman.
»Nein, ich bin der Einzige.«
»Du Glücklicher.«
Sie war Vivian nicht sehr ähnlich. Sie war kräftiger und nicht unbedingt hübsch, mit einem fliehenden Kinn und dem Ruf, sehr direkt zu sein.
»Und was hältst du von Mr Bowman?«, fragte sie ihren Mann später. Sie aß etwas von dem Hochzeitskuchen und hielt die Hand darunter, um die Krümel aufzufangen.
»Scheint mir ein netter Kerl.«
»Er kommt aus Ha-a-arvard.«
»Ja und?«
»Ich glaube, Vivian macht einen Fehler.«
»Was gefällt dir nicht an ihm?«
»Ich weiß nicht. Nur so ein Gefühl. Ich mag aber seinen Freund.«
»Welchen?«
»Den mit der Blume. Schau mal, wie nervös er ist.«
»Warum sollte er nervös sein?«
»Wegen uns wahrscheinlich.«
Eddins trank sein zweites Glas, aber in Virginia fühlte er sich mehr oder weniger zu Hause. Er hatte sich zuerst mit einem ehemaligen Colonel und dann mit einer unattraktiven Frau unterhalten, die mit einem Richter gekommen war. Und auch mit Bryan, der ihm von all den Autos erzählte, die sie früher einmal gehabt hatten, bevor seine Familie ihr ganzes Geld verlor und nach Bronxville ziehen musste, was eine wirkliche Schande war. Eddins hatte ein gutaussehendes Mädchen beobachtet, das hinter dem Richter stand, und sprach sie schließlich an.
»Kommen Sie oft hierher?«, fragte er. Er wollte geistreich sein.
»Wie bitte?«
Ihr Name war Darrin, sie war die Tochter eines Arztes. Es stellte sich heraus, dass sie Pferden Auslauf verschaffte.
»Pferde brauchen Auslauf? Machen die das nicht selbst?«
Sie betrachtete ihn leicht verächtlich.
Eddins versuchte es zu übergehen und redete einfach weiter.
»Es hieß, es würde heute noch Gewitter geben, aber anscheinend haben die sich geirrt. Ich mag Gewitter. Thomas Hardy beschreibt eines in einem seiner Romane. Wunderbar. Kennen Sie Thomas Hardy?«
»Nein«, sagte sie knapp.
»Er ist Engländer. Ein englischer Schriftsteller. Die Engländer sind einfach unübertroffen. Lord Byron, der Dichter. Einfach unglaublich. Der berühmteste Mann von ganz Europa und kaum älter als zwanzig Jahre. Verrückt, verrucht und gefährlich, ihn zu kennen. Ich versuche, ihm nachzueifern.«
Sie lächelte nicht einmal.
»Er starb in Missolonghi an einem Fieber. Man legte sein Herz in eine Urne und seine Lunge in etwas anderes, ich erinnere mich nicht mehr. Sollten in einer Kirche beigesetzt werden, aber beides ging verloren. Sein Körper wurde zurück nach England verschifft. In einem Sarg voller Rum. Lauter Frauen kamen zur Beerdigung, frühere Geliebte …«
Sie hörte ihm ohne jeden Ausdruck zu.
»Ich habe selber etwas englisches Blut«, gestand er. »Das meiste ist aber schottisch.«
»Wirklich?«
»Wilde, ungezähmte Menschen. Waschen ihre Kleider in Pisse«, sagte er.
»Wie bitte?«
»Zumindest riecht es so.«
Er erfand das alles. Das machte er meistens, wenn er getrunken hatte, und um sich zu schützen. Sie war ganz offensichtlich nicht an dem interessiert, was er zu sagen hatte, zu
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