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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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weiter mit dem Fuß zur Seite, einer war klein und weiß, der andere ein Dalmatiner.
    »Wir hatten es ruhig«, fuhr sie fort. »Sie waren noch nicht hier, nicht wahr?«, sagte sie zu Bowman. »Das Haus wurde ursprünglich 1838 erbaut, aber es ist zweimal abgebrannt, das letzte Mal mitten in der Nacht, ich hatte schon geschlafen.«
    Sie hielt Bowmans Hand. Es war wie ein Privileg.
    »Wie soll ich Sie nennen? Philip? Phil?«
    Sie hatte schöne Züge, inzwischen vielleicht ein wenig zu klein für ihr Gesicht, das ihr über Jahre erlaubt hatte, zu sagen und zu tun, was immer sie wollte, und das Geld natürlich. Sie wurde geliebt und verspottet und war als die unehrlichste Frau im Pferdegeschäft bekannt. In Saratoga war sie gesperrt, sie hatte auf einer Auktion zwei ihrer eigenen Pferde zurückgekauft, was streng verboten war. Bowmans Hand in der ihren, führte sie die Gäste in den Salon und plauderte derweil mit Amussen.
    »Ich habe Rechnungen bezahlt. Mein Gott, das Haus kostet mich ein Vermögen. Es kostet sogar mehr, wenn ich gar nicht hier bin, kannst du dir das vorstellen? Niemand, der aufpasst. Ich bin kurz davor, das Ganze zu verkaufen.«
    »Es verkaufen?«, sagte Amussen.
    »Ja. Nach Florida ziehen«, sagte sie. »Mit den Juden leben. Vivian, du siehst wunderschön aus.«
    Sie gingen ins Arbeitszimmer, die Wände waren in dunklem Grün gehalten, überall hingen Bilder von Pferden, Gemälde und Fotografien.
    »Das ist mein Lieblingszimmer«, sagte sie. »Sind die Bilder nicht schön? Das dort drüben«, sagte sie und zeigte auf ein Gemälde, »das ist Khartoum – ich hab das Pferd geliebt. Von dem Bild würde ich mich niemals trennen. Als ’44 das Haus brannte, bin ich mit nichts außer meinem Nerzmantel und dem Bild nach draußen gerannt. Mehr hatte ich nicht dabei.«
    »Woody will nicht essen!«, rief eine Stimme aus einem anderen Zimmer.
    »Wer?«
    »Woody.«
    Ein Mann erschien in der Tür, das Haar in einer sorgfältigen Welle nach hinten gekämmt. Er trug einen Pullover mit V-Ausschnitt und Eidechsenlederschuhe, ein Ausdruck gespielter Sorge lag auf seinem Gesicht.
    »Geh und sag es Willa«, sagte Liz.
    »Sie hat es mir ja erzählt.«
    »Travis, du kennst unsere Gäste noch nicht. Das ist mein Mann Travis«, sagte Liz. »Ich hab jemanden von der Straße geheiratet. Man soll das ja nicht tun, und dann tut man es doch. Nicht wahr, Liebling?«, sagte sie zärtlich.
    »Du meinst, dass ich aus keiner reichen Familie komme?«
    »So viel ist mal sicher.«
    »Vollkommenheit zahlt sich eben aus«, sagte er mit geübtem Lächeln.
    Travis Gates war Lieutenant Colonel bei der Air Force und hatte etwas leicht Betrügerisches an sich. Er war während des Kriegs in China gewesen und benutzte gerne chinesische Worte, ding hao war eins davon. Er war ihr dritter Mann. Der erste, Ted Bohannon, war reich gewesen, seine Familie besaß Zeitungen und Kupferminen. Liz war damals zwanzig, sorglos und selbstsicher, die Hochzeit war das Ereignis des Jahres. Sie hatten bereits miteinander geschlafen, im Haus eines Freundes in Georgetown, und waren unglaublich verliebt. Sie wurden eingeladen, sie reisten viel, nach Kalifornien, Europa, in den Fernen Osten. Es war die Zeit der Depression, und Bilder von ihnen in der Zeitung – an Bord eines Schiffs oder bei den Rennen – waren wie ein Sedativ, eine Erinnerung an das Leben, wie es einmal gewesen war und vielleicht wieder werden könnte. Sie fuhren auch ein paarmal nach Silver Hill, um Laura zu besuchen, Liz’ jüngere Schwester, die in Clubs als Sängerin auftrat, meist auf einer kleinen Bühne in einem weißen oder perlenbestickten Kleid, und Trinkerin war. In Silver Hill kurierte sie sich alle paar Jahre aus.
    Eines Nachts während des Kriegs waren sie zu dritt in New York gestrandet, sie hatten Probleme mit dem Auto. Die Hotels waren alle voll, aber da Ted den Manager kannte, bekamen sie noch ein Zimmer im Westbury. Sie schliefen zu dritt in einem Bett. Mitten in der Nacht wachte Liz auf und sah ihren Mann, der mit ihrer Schwester zugange war, das Nachthemd hatte sie bis unter die Achseln hochgezogen. Es war im zehnten Jahr ihrer Ehe, die schon davor schal geworden war, aber diese Nacht bedeutete das Ende.
    Unterdessen klingelte das Telefon.
    »Soll ich rangehen, Bun?«, sagte Travis.
    »Willa wird schon gehen. Ich will mit niemandem sprechen.«
    Sie hatte Slipper hochgenommen und wiegte ihn an die Brust gedrückt hin und her, während sie Bowman den Blick aus dem Fenster zeigte.

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