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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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schreckliche Dinge getan. Das Buch über das jüdische Mädchen, das sich in einen SS-Offizier verliebt – ich meine, irgendwo gibt es doch Grenzen. Und dann hat er sich eigentlich ja hochgemauschelt. Er kam nicht in die Gesellschaft, also hat er Mädchen aus den besten Familien eingestellt. Er hat sie bezahlt. Na ja, das ist die wahre Geschichte. Robert kennt meine Meinung.«
    Wibergs Gegenpart in Köln war mehr oder weniger Karl Maria Löhr, ebenfalls ein stattlicher Mann, der das Verlagshaus seines Vaters geerbt hatte, und der in seinem Büro oft mit ein paar Schriftstellern auf dem Boden saß und eine Flasche Whisky trank. Er hatte drei Sekretärinnen, jede von ihnen war irgendwann einmal in der Vergangenheit oder Gegenwart für ihn verfügbar gewesen. Eine davon war Erna. Sie fuhr mit ihm oft übers Wochenende raus, angeblich, um seine Mutter zu besuchen, die in Dortmund lebte. Eine andere war etwas jünger und sehr arbeitsam, sie hatte nichts dagegen, abends länger zu arbeiten, da sie nicht verheiratet war. Der Abend endete dann manchmal in einem Restaurant in der Nähe, in das Künstler gerne gingen und das bis spät in die Nacht geöffnet war, und danach mit einem Drink in der getäfelten Bibliothek in Löhrs Haus, wo sie, Katja, ein paar extra Kleider aufbewahrte und sogar über ein eigenes Badezimmer verfügte. Silvia – sie war seit einem Wechsel im Verlag eigentlich für die Presse zuständig – hatte ihn auf die Buchmessen nach Frankfurt und London begleitet und ein denkwürdiges Mal auch nach Bologna, wo sie in einem Restaurant namens Diana zu Abend aßen, etwas abseits auf der belaubten Terrasse, und im Baglioni übernachteten. Es verging oft eine ganze Weile, in der sie nicht miteinander schliefen, und ihre scheinbare Neuheit und die Reise erregten ihn. Sie kam immer mit einem Unterarm unter ihren recht schweren Brüsten zu Bett. Silvia war lebhaft, und es passierten einem amüsante Dinge mit ihr. Einmal, in einer Hafenkneipe in Hamburg, forderte ein Matrose sie zum Tanzen auf. Karl Maria hatte nichts dagegen. Aber dann bot der Matrose ihr fünfundzwanzig Mark, wenn sie mit ihm nach oben ginge. Sie sagte nein, und er machte fünfzig daraus und verfolgte sie bis zur Bar, wo er ihr hundert bot. Karl Maria beugte sich vor und sagte: »Hör mal. Sie ist meine Frau. Mir macht es ja nichts aus, aber ich denke, du bist zu nah an ihrem Preis.«
    Der Matrose war betrunken, aber es gelang ihnen, ihn abzuschütteln. Sie gingen zurück ins Hotel, wo sie in der plüschigen, leeren Bar einen letzten Drink nahmen, und lachten darüber. Löhr konnte trinken und trinken.
    Der schwedische Verleger war ein weltgewandter Mann, er hatte Gide und Dreiser und Anthony Powell in den Verlag geholt, sowie Proust und Genet. Er publizierte die Russen Bunin und Babel und später dann die großen Emigranten. Er war in Russland gewesen, ein schrecklicher Ort, sagte er, wie ein riesiges Gefängnis, ein Gefängnis, in dem man jede Hoffnung fahren lassen musste, und doch seien die Russen die wunderbarsten Menschen, die er je getroffen habe.
    »Ich mag sie mehr, als ich sagen kann«, erklärte er. »Sie sind nicht wie wir. Aus irgendeinem Grund besitzen sie eine Tiefe und Freundschaft, die man nirgendwo anders findet. Vielleicht liegt es an den endlosen Tyranneien. Achmatowa würde ich gerne veröffentlichen, aber sie ist schon bei jemand anderem. Ihr Mann wurde von den Kommunisten hingerichtet, und ihr Sohn verbrachte Jahre in einem Lager. Sie lebte in nur einem Zimmer für sich. Unter ständiger Bewachung der Geheimpolizei und immer in Angst, verhaftet zu werden. Freunde kamen sie besuchen, und während sie für die Polizei, die mithörte, über alle möglichen Dinge sprachen, hielt sie ein Zigarettenpapier hoch, auf das sie ein Gedicht geschrieben hatte, damit sie es lesen und auswendig lernen konnten, und wenn sie nickten, hielt sie ein Streichholz an das Papier. Bei den Russen zu Hause, wenn man sie besucht und sich mit ihnen hinsetzt, für gewöhnlich in der Küche, selbst wenn man nur zum Tee kommt, schenken sie einem ihre Seele.«
    Berggren selbst besaß nicht diese heilige Beschaffenheit. Er hatte fast das Auftreten eines Bankiers, er war groß und reserviert, mit unregelmäßigen Zähnen und ergrautem blondem Haar. Er trug für gewöhnlich einen Anzug, oft mit Weste darunter, und nahm zum Lesen die Brille ab. Er war dreimal verheiratet gewesen, seine erste Frau hatte Geld und ein Haus besessen, ein altes Haus aus dem

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