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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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vorigen Jahrhundert mit einem Tennisplatz und gepflasterten Wegen. Sie war konventionell, aber sehr schlau und vielleicht nicht gänzlich ahnungslos, als Berggren es gelang, ihr auf einer Party seine neue Geliebte vorzustellen, um ihre Meinung einzuholen, sozusagen, da er ihrem Urteil traute.
    Die Geliebte wurde seine zweite Frau – er bedauerte die Scheidung, er hatte seine erste Frau geliebt, doch das Leben hatte sich anders entschieden. Seine zweite Frau, Bibi, war elegant, aber auch eigenwillig und anspruchsvoll. Die Rechnungen auf ihren Namen waren immer eine Überraschung, und sie achtete wenig auf Preise, wenn es um Dinge wie Wein ging.
    Berggren war wie geschaffen für die Frauen. Sie waren für ihn der eigentliche Grund zu leben, sie standen in seinen Augen für das Leben selbst. Es war leicht, mit ihm auszukommen, er war zivilisiert und wusste, wie man sich benahm, obwohl er zuweilen auch unzugänglich sein konnte. Nicht, dass er sich zurückzog, er war einfach mit den Gedanken woanders. Er ging Streitigkeiten für gewöhnlich aus dem Weg, auch wenn das mit Bibi nicht immer möglich war. Auf Näckströmsgatan gab es ein Hotel, in dem er gelegentlich Schriftsteller unterbrachte, dort ging er hin, wenn es zu Hause zu turbulent wurde. Der Manager kannte ihn und auch der Empfangschef. Das Mädchen an der Bar schwenkte ein paar Eiswürfel in einem Glas, leerte es aus und schenkte ihm einen Sion ein, einen Schweizer Wein, den er sehr mochte.
    Eines Nachmittags kam er an einem Schaufenster vorbei und sah ein Mädchen Mitte zwanzig in einer engen schwarzen Hose in der Auslage die Schaufensterpuppe neu dekorieren. Sie merkte, dass er dort stand, sah ihn aber nicht an. Er blieb länger, als er gewollt hatte, er konnte die Augen nicht von ihr nehmen. Sie – nicht das Mädchen aus dem Geschäft, aber jemand wie sie – wurde seine dritte Frau.
    Was der unsichtbare Teil ihres Lebens war, wer weiß das schon? War sie schwierig, oder stand sie nackt zwischen seinen Knien wie die Kinder der Patriarchen, ihr entblößter Bauch, die Rundung ihrer Hüften? Eine gewisse ungewollte Kälte in seinem Inneren hielt ihn vom wahren Glück fern, und obwohl er schöne Frauen heiratete, oder sagen wir, sie besaß, war er nie wirklich erfüllt, doch ohne sie zu leben war undenkbar. Der große Hunger der Vergangenheit galt dem Essen, es gab nie genug davon, und die Mehrheit der Menschen war unterernährt oder hungerte. Der neue Hunger galt dem Sex, und ohne ihn geisterte das gleiche Hungergespenst umher.
    Mit Karen fühlte sich Berggren nicht wieder jung, sondern es war noch besser. Der Sex war nicht bloß ein Vergnügen, in seinem Alter fühlte er sich den Mythen nah. Er hatte ein paar Jahre zuvor ganz zufällig etwas Wunderbares gesehen, seine Mutter, die sich anzog – sie stand mit dem Rücken zu ihm, sie war zweiundsiebzig Jahre, ihr Hintern war glatt und vollkommen, ihre Taille fest. Es lag also in seinen Genen, er könnte vielleicht für immer so weitermachen, aber eines Tages sah er etwas anderes, etwas vollkommen Unschuldiges, Karen und eine Freundin, die sie seit der Schulzeit kannte, in ihren winzigen Badeanzügen auf dem Rasen, sie sonnten sich nebeneinander auf dem Bauch und redeten, ab und zu trat eine gedankenverloren mit dem Fuß nach oben zur Sonne, die besänftigend auf ihren bloßen Rücken lag. Er saß im Hemd auf der Steinterrasse und las ein Manuskript. Er überlegte einen Moment, ob er hinuntergehen und sich zu ihnen setzen sollte, aber er spürte eine gewisse Befangenheit, und er war sicher, worüber sie auch sprachen, sie würden damit aufhören. Er wollte im Grunde nicht wissen, worüber sie sprachen, es war ihre unbekümmerte, leichte Art, während seine eigenen Gewohnheiten weniger freudig und lebendig waren. Er zündete eine Zigarette an, er rauchte und blätterte ein paar Seiten zurück, die er noch einmal las. Sie waren jetzt aufgestanden und nahmen ihre Handtücher vom Boden. An jenem Tag wie auch an anderen akzeptierte er die Wirklichkeit der Frauen, die er liebte, Frauen, mit denen er verheiratet war, und das war wohl eines der Dinge, die trotz seiner Stellung und Intelligenz und des hohen Ansehens, das er genoss, schließlich zu seinem Selbstmord im Alter von dreiundfünfzig Jahren führte, in dem Jahr, in dem er und Karen sich trennten.

9. Nach dem Ball
    Viele der Gäste waren bereits eingetroffen, andere waren mit ihm auf dem Weg nach oben. Die Einladung war wie nebenbei gefallen, er gebe ein

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