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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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meinen, ob ich je verliebt war? Ja, natürlich.«
    »Ich meine diesen Moment, den man nie vergisst.«
    »Komisch, dass Sie das sagen.«
    Als junges Mädchen sei sie einmal sehr verliebt gewesen, sagte sie.
    »Wie alt waren Sie?«
    »Achtzehn.«
    Es war das außergewöhnlichste Erlebnis in ihrem Leben. Sie war wie unter einem Bann, sagte sie. Es war in Siena, sie war Studentin, Teil einer Gruppe von etwa einem Dutzend Jungen und Mädchen, sie hatte so etwas noch nie erlebt, diese Intensität … Es gab dort ein Riesenrad. Man fuhr immer weiter hinauf, und manchmal blieb man oben stehen, und an diesem Abend, hoch über allen anderen, flüsterte ihr der Junge neben ihr auf einmal die aufregendsten und unfassbarsten Dinge ins Ohr. Und sie war verloren. Etwas Vergleichbares wie diese Nacht hat es nie wieder gegeben, sagte sie.
    Etwas Vergleichbares hat es nie wieder gegeben. Bowman fühlte sich entmutigt. Warum hatte sie das gesagt?
    »Sie kennen das sicher«, sagte sie. »Wie unglaublich man sich fühlt.«
    Sie sprach von der Vergangenheit, aber nicht nur – er war sich nicht sicher. Ihre Gegenwart war frisch, unverdorben.
    »Unglaublich, ja, ich weiß.«
    Kaum hatte sie die Wohnungstür hinter ihnen geschlossen, umarmte und küsste er sie ungestüm, er sagte etwas mit den Lippen dicht an ihrer Wange, das sie nicht verstand.
    »Was?«
    Aber er wiederholte es nicht. Er öffnete den Haken an ihrem Kragen, sie hielt seine Hände nicht zurück. Im Schlafzimmer stieg sie aus ihrem Rock. Sie stand eine Weile da, die Arme um sich gelegt, dann schlüpfte sie aus dem Rest. Ihre Schönheit. Als stünde ganz England vor ihm, nackt in der Dunkelheit. Sie war tatsächlich einsam, sie war bereit, geliebt zu werden, und er war sich seiner nie so sicher gewesen. Er küsste ihre nackten Schultern, dann ihre Hände, ihre langen Finger.
    Sie lag unter ihm. Er hielt sich zurück, aber sie gab ihm zu verstehen, dass es nicht nötig war. Sie sprachen nicht, er hatte Angst zu sprechen. Er berührte sie mit seinem Glied, ohne Mühe drang er in sie ein, nur mit der Spitze, den Rest hielt er zurück. Er war Herr über sein Leben. Er sammelte sich und drang langsam tiefer, sank in sie wie ein Schiff, ihr entwich ein leiser Schrei, der Schrei von einem kleinen Wild, als er bis zum Heft in ihr versank.
    Danach blieben sie eine Weile liegen, irgendwann rollte sie unter ihm zur Seite.
    »Mein Gott.«
    »Was?«
    »Ich bin völlig durchnässt.«
    Sie griff nach etwas auf dem Nachttisch und zündete sich eine Zigarette an.
    »Du rauchst?«
    »Hin und wieder.«
    Seine Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt. Er kniete auf dem Bett, nahm sie in sich auf. Es war nicht mehr ein Davor. Er war nicht erschöpft. Er sah ihr beim Rauchen zu. Nach einer Weile liebten sie sich wieder. Er zog sie an den Handgelenken über sich wie ein zerrissenes Laken. Zum Ende hin entfuhr ihr ein leiser Schrei, und wieder kam er zu früh, aber sie sackte erschöpft zusammen. Das Laken war feucht, und sie legten sich auf eine Seite des Bettes, sie schliefen, und er lag vollkommen zufrieden neben ihr wie ein Kind. Es war anders als die Ehe, es war nicht gestattet, aber die Ehe hatte es erlaubt. Ihr Mann war weit weg in Schottland. Die Zustimmung war wortlos erfolgt.
    Am Morgen lag sie schlafend neben ihm, die Lippen leicht geöffnet, wie ein Mädchen im Sommer mit kurzem blondem Haar und entblößtem Hals. Er fragte sich, ob er sie wecken sollte, sie berühren oder streicheln, aber sie war bereits wach, vielleicht durch seinen Blick, und streckte die Beine unter dem Laken. Er drehte sie auf den Bauch, als wäre sie sein Besitz, als wären sie sich einig.
    Er saß in der Badewanne, eine kreideweiße, ungeheuer große Wanne, fast wie in einem Badehaus, das Wasser donnerte aus dem Hahn. Sein Blick fiel auf ein zierliches Set weißer Unterwäsche, das zum Trocknen über einem Handtuchhalter hing. Auf den Regalen und dem Fensterbrett standen Tiegel und kleine Flaschen, ihre Lotionen und Cremes. Sein Blick blieb daran hängen, und er trieb in Gedanken daran, während das warme Wasser immer weiter anstieg, bis zu seinen Schultern, und er ganz darin versank, wie in einer Art Nirwana, das nicht in der Losgelöstheit von den eigenen Begierden gründete, sondern in ihrer Erfüllung. Er befand sich im Zentrum der Stadt, von London, es würde immer ihm gehören.
    Sie trug einen hellen Morgenmantel, der ihr nur bis zum Knie ging, und schenkte ihm eine Tasse Tee ein, die Hand

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