Alles, was ist: Roman (German Edition)
und die Auszeichnung mit einem der wichtigen Preise oder ein fester akademischer Posten waren oft das Ergebnis von intensiver Eigenwerbung, Schmeicheleien und Kompromissbereitschaft. Es gab sicher auch Dichter in kleineren Gemeinden, die ein eintöniges Leben führten, wie vielleicht Kavafis, aber die, die Bowman kannte, waren gesellig, wenn nicht weltgewandt, und sehr wohl vertraut mit dem Strom, in dem sie schwammen und einander streiften, ein Yale Younger Poets für den einen, ein Bollingen für den nächsten, ein Pulitzer.
Er hatte nie ein Haus gefunden, das er wirklich kauften wollte. Er mietete stattdessen eines an einer schmalen Straße kurz hinter Bridgehampton mit einem gelben »Dead End«-Schild am Ende, kurz vor dem Strand. Der einzige Nachbar in der Nähe war ein Mann ungefähr in seinem Alter namens Wille, der ganz nett war und sein Auto direkt neben der Küchentür auf dem Rasen parkte.
Bowman fuhr spät im Frühling an den Wochenenden hinaus. Zu diesem Zeitpunkt begann dort das gesellschaftliche Leben. Er kannte ein paar Leute und wurde zum Essen eingeladen. Er kaufte mehrere Kisten guten Wein, um der Gastgeberin ein paar Flaschen mitbringen zu können. Das Haus war nie abgeschlossen. Er nahm gerne den Zug, der ein Bar-Abteil hatte, in dem man einen Platz reservieren konnte. Manchmal fuhr er mit dem Auto, verließ die Stadt aber nie später als ein Uhr am Mittag, um dem dichten Verkehr zu entgehen, oder wartete bis neun oder zehn, wenn die Straßen wieder leerer wurden.
Es war alles ein wenig zusammengeschustert und nur für den Übergang, verglichen mit dem Rest seines Lebens, aber es war entspannt und gab ihm die Möglichkeit, die Gegend besser kennenzulernen, sie sich anzueignen. Wenn das richtige Haus schließlich auftauchte, würde er es mit einem sicheren Gefühl kaufen. Er parkte sein Auto auf dem sandigen Rasen, genau wie Wille, und fühlte sich sehr zu Hause.
16. Summit
Beatrice hatte ein paar Probleme gehabt. Äußerlich war sie praktisch unverändert, sie sah aus wie seit Jahren, aber sie war vergesslich geworden. Sie konnte sich manchmal nicht an ihre eigene Telefonnummer erinnern oder an die Namen von Menschen, die sie gut kannte. Sie wusste ihre Namen, und später fielen sie ihr wieder ein, aber es war unangenehm, sie nicht sagen zu können.
»Ich muss wohl meinen Verstand verlieren«, sagte sie. »Wer war das noch gleich?«
»Mr DePetris.«
»Natürlich. Was ist nur los mit mir?«
Im Grunde nichts. Sie war über siebzig und in jeder Hinsicht gesund. Ihr Sohn kam sie alle zwei Wochen besuchen. Selbst fuhr sie nur noch selten in die Stadt. Was sie brauchte, habe sie in Summit, sagte sie. Sie war so viele Male nach New York gefahren, um sich ein paar Shows anzusehen, um einkaufen zu gehen, aber das war lange her.
»Das müssen Jahre sein.«
»Nein, das stimmt nicht«, sagte Bowman. »Wir waren im Museum, weißt du nicht mehr?«
»Ja, natürlich«, berichtigte sie sich.
Es stimmte. Sie erinnerte sich wieder. Sie hatte es vergessen.
Dann bekam sie leichte Probleme mit dem Gleichgewicht. Es standen immer Blumen im Haus, oft waren es gelbe Narzissen, auch machte sie sich noch immer hübsch zurecht, aber eines Nachmittags, sie ging gerade durchs Esszimmer, war sie unerwartet gestürzt. Als hätte sich der Boden unter ihren Füßen bewegt, sagte sie. Sie schlug mit dem Arm gegen die Tischkante und zog sich eine lange Platzwunde zu. Sie musste in die Notaufnahme und besuchte danach routinehalber ihren Hausarzt. Er bemerkte an ihr eine mimische Starre und ein leichtes, rhythmisches Zittern in ihrer Hand, Zeichen der Parkinson-Krankheit.
Sie wisse nicht, warum ihre Hand zittere, sagte sie zu ihrer Schwester.
»Sie zittert, aber wenn ich sie bewege, nicht mehr. Siehst du?«
»Streck mal die Hand aus«, sagte Dorothy. »Du hast recht. Es ist weg.«
Später dann in der Küche ließ Beatrice ein Glas fallen.
»Ja, alles gut«, sagte sie. »Aber siehst du, ich kann nicht mal ein Glas halten.«
»Das macht doch nichts«, sagte Dorothy. »Bleib da. Ich kehr es auf.«
»Nein, Dorothy. Lass mich das machen. Es ist schon das zweite diese Woche.«
Sie hatte weiterhin Probleme mit dem Gleichgewicht, sie fühlte sich nicht mehr sicher, und sie ging auch ein wenig gebeugt. Das Alter kommt nicht langsam, es kommt mit einem Mal. An einem Tag ist noch alles wie zuvor, und eine Woche darauf ist alles anders. Eine Woche ist vielleicht sogar zu lange, es kann über Nacht passieren. Man ist
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