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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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verächtliche Finger. Wie sich herausstellte, hatte sie in New York gelebt, am Waverly Place, ein paar Jahre mit ihrem Mann.
    »Sechs«, sagte sie. Sie hatte als Maklerin gearbeitet.
    Er sah sie an. Man musste sie einfach ansehen.
    »Es war sehr schön«, sagte sie. »Das ist ein sehr schöner Teil der Stadt.«
    »Sie kennen New York also«, sagte er mit einem Gefühl von Eifersucht.
    »Sehr gut.«
    Sie sagte nicht viel mehr und auch nicht viel über ihren Mann. Er war geschäftlich in Athen, das war alles. Sie hatten in Europa gelebt.
    »In Athen?«
    »Wir sind getrennt.«
    »Haben Sie noch ein gutes Verhältnis?«
    »Na ja …«
    »Ein enges Verhältnis?«, hörte er sich sagen.
    Sie lächelte.
    »Wohl kaum«, sagte sie.
    Er fühlte, er könnte ihr alles sagen, ihr alles erzählen. Es gab eine Art Komplizenschaft zwischen ihnen, auch wenn sie gerade erst entstand.
    »Wie alt ist Ihre Tochter?«, fragte er.
    Sie war fünfzehn. Es erstaunte ihn.
    »Fünfzehn! Sie sehen nicht aus, als könnten Sie eine fünfzehnjährige Tochter haben«, sagte er und fügte beiläufig hinzu: »Wie alt sind Sie?«
    Sie sah ihn mit einem leicht missbilligenden Ausdruck an.
    »Zweiunddreißig?«
    »Ich wurde während des Kriegs geboren«, sagte sie. »Nicht am Anfang«, fügte sie hinzu.
    Er war sich plötzlich seines eigenen Alters bewusst, aber sie fragte ihn nicht danach. Der Name ihrer Tochter war Anet.
    »Wie wird das geschrieben?«, sagte er.
    Es war ein schöner Name.
    »Sie ist ein wunderbares Mädchen. Ich bin verrückt nach ihr«, sagte sie.
    »Sie ist Ihre Tochter …«
    »Ja, aber das ist es nicht. Haben Sie Kinder?«
    »Nein«, sagte er.
    Er hatte fast das Gefühl, als wäre er in ihrem Ansehen gesunken. Er war sichtlich älter, er war alleinstehend, er hatte keine Familie.
    »Das ist wirklich ein schöner Name«, wiederholte er. »Manche Namen haben etwas Unvergessliches, Magie.«
    »Das ist wahr.«
    »Wronski«, sagte er als Beispiel.
    »Kein sehr guter Name für ein Mädchen.«
    »Nein, natürlich nicht. Unvergesslich, aber nicht sehr gut.«
    »Ich würde fast noch ein Kind bekommen, nur um ihm einen Namen zu geben. Wenn Sie ein Kind hätten, wie würden Sie es nennen?«, fragte sie.
    »Darüber habe ich noch nicht wirklich nachgedacht. Wenn es ein Junge wäre …«
    »Ja«, sagte sie. »Ein Junge.«
    »Wenn es ein Junge wäre, Agamemnon.«
    »Ah. Ja«, sagte sie. »Natürlich. Achill ist auch ein guter Name. Agamemnon klingt doch ein wenig wie ein Pferd.«
    »Es wäre ein toller Junge«, entgegnete Bowman.
    »Da bin ich mir sicher. Das müsste er auch bei dem Namen. Und wie würden Sie ein Mädchen nennen? Ich habe fast Angst zu fragen.«
    »Ein Mädchen? Quisqueya«, sagte er.
    »Ich sehe, Sie sind Traditionalist. Wie war der Name?«
    »Quisqueya.«
    »Klingt historisch oder wie aus einem Roman.«
    »Es ist ein peruanischer Name.«
    »Peruanisch? Wirklich?«
    »Nein, ich hab ihn mir ausgedacht«, gestand er.
    »Auf jeden Fall passt er gut zu Bowman.«
    »Quisqueya Bowman«, sagte er. »Das sollten wir uns merken.«
    »Und ihre Schwester Wronski.«
    »Ja. Genau.«
    Also gut, berausch dich. Es war immer vom ersten Wort an, dem ersten Blick, der ersten Umarmung, dem ersten schicksalhaften Tanz. Es war da und wartete. Christine, ich kenne dich, dachte er. Sie lächelte ihn an.
    Er musste es danach jemandem erzählen, er musste es sagen, es platzte aus ihm heraus. Er sagte es dem Portier.
    »Ich habe die wunderbarste Frau getroffen!«
    »Ach. Schön für Sie, Phil.«
    Er hatte ihn noch nie beim Vornamen genannt, auch wenn sie sich manchmal unterhielten. Sein Name war Victor.
    Sie werden sie noch kennenlernen, wollte Bowman sagen, merkte aber, wie playboyhaft das klang, auch wusste er nicht, ob es stimmte. Er hätte es bereuen können, etwas gesagt zu haben, aber er konnte sich nicht zurückhalten. Das Apartment wirkte hell und einladend. Es war ihre Gegenwart, ihre anfängliche Gegenwart in seinem Leben.
    Sie gingen auf eine Dinnerparty bei einem Verlegerpärchen, das Kunstbücher herausgab, ein ganz eigener Verlagszweig, Kunstbücher und andere, großformatige Bücher über Architektur und noch spezifischere Themen, Hotels am Amazonas, solche Dinge, Jorge und Felice Arceneaux, das Geld stammte von ihr. Sie saßen zu acht am Tisch, unter anderem ein junger französischer Journalist und ein Biograf, der über das Leben von Apollinaire schrieb, der Dichter, der im Ersten Weltkrieg schwer verwundet worden war. Christine war

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