Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
Vom Netzwerk:
Mit diesen Schuhen«, er deutete angewidert auf meine Treter, an denen Ökofutter klebte, »tragen Sie mir ja den Dreck ins Haus.« Damit schloss sich die Tür und sie öffnete sich erst wieder nach etwa einer Minute. »Herr Wallenstein«, erklärte der Dürre, »hat vor etwa zehn Minuten das Haus verlassen.«

    »Wo kann ich ihn erreichen?«

    »Im Grünen Winkel . Das ist sein Restaurant.« Der Mann warf einen Blick auf seine Uhr. »In zwanzig Minuten werde auch ich ihn dort treffen.«

    »Fabelhaft«, meinte ich. »Dann können Sie mich doch mitnehmen.«

    Ein weiterer Blick auf meine Schuhe. »Verfügen Sie denn über kein eigenes Fahrzeug?«

    Wenigstens hatte er nichts dagegen, dass ich ihm mit dem Wagen folgte. Aber leider wurde auch daraus nichts. Vom Fahrersitz meines Autos aus verfolgte ich, wie Wallensteins Angestellter in einen alten Cinquecento stieg. Ich wartete ein paar Minuten darauf, dass er losfuhr. Schließlich stieg ich wieder aus und ging zu ihm hinüber.

    »Er will einfach nicht anspringen«, ärgerte sich der Mann am Steuer. »Vielleicht ist etwas mit der Zündung.«

    »Tja, das ist Pech«, meinte ich. »Wenn Sie wollen, kann ich Sie zum Restaurant fahren.« Ich grinste. »Aber kotzen Sie mir bloß nicht auf die Sitze.«

     
    Den Grünen Winkel gab es gleich dreimal in Münster. Laut und geschäftig an der Moltkestraße, gediegen und romantisch in einer der besten Kreuzviertellagen und schließlich weit außerhalb in Handorf, direkt am traditionsreichen Pilgerweg gelegen, der von Münster nach Telgte führte. Hier an der Werse, so hieß es, hatte man in früheren Zeiten frommen Wanderern aufgelauert, die sich für ihr Seelenheil aufgemacht hatten, um die berühmte Madonna in Telgte anzubeten. Man hatte sie windelweich geprügelt, bis auf die Unterwäsche ausgezogen und ihrer Ersparnisse beraubt. Eine brutale und effektive Methode der Kapitalbeschaffung, die Handorf hatte erblühen und von einem gottverlassenen Kuhdorf zum wohlhabenden Ortsteil anwachsen lassen, zu dem man selbst vom fernen Roxel aus neidisch herüberblickte. Schon bald interessierte sich niemand mehr dafür, wovon seine Einwohner lebten und welcher dunklen Kunst sie ihren Wohlstand verdankten, und sollte es dennoch jemand tun, musste er sich gut überlegen, wem er von dieser Stunde an den Rücken zukehrte. Daran, so hieß es weiter, habe sich bis heute nichts geändert.

    Mittlerweile war es halb fünf. Mein Beifahrer hatte Kurs auf Handorf genommen und dirigierte mich von der Umgehungsstraße auf die Warendorfer Straße, während er seine Kleidung aufmerksam nach Flusen absuchte. Sobald er eine aufgespürt hatte, schlich sich seine rechte Hand an, spannte den Mittelfinger über dem Daumen zu einem Katapult und schnipste das böse Fitzelchen in die Atmosphäre.

    »Sind Sie Wallensteins Butler?«, fragte ich.

    »Schadewaldt«, stellte sich mein Beifahrer mit einem dünnen Lächeln vor. »Ich würde mich eher als guten Geist des Hauses bezeichnen.«

    »Wo ist denn da der Unterschied?«

    Schadewaldt ließ sich Zeit mit der Antwort. Er schnipste wieder und strich die von der Fluse befreite Hosenbeinstelle mit der Handfläche glatt. »Ich habe Herrn Wallenstein viel zu verdanken«, verkündete er mit feierlicher Stimme. »Als ich im Begriff war unterzugehen, hat er mir die Hand gereicht. So konnte ich überleben.«

    »Herr Wallenstein ist also Rettungsschwimmer?«

    Die Feierlichkeit verflog. »Es ist bildlich gemeint. Ein halbes Jahr nachdem ich mir ein Haus gekauft hatte, wurde ich arbeitslos. Keine Chance, die Raten abzuzahlen oder meine Familie zu ernähren. Wäre Herr Wallenstein nicht gewesen, hätte ich nicht weitergewusst. Er bot mir großzügig die Möglichkeit, für ihn zu arbeiten.«

    »Dann haben wir also streng genommen zwei gute Geister.«

    »Zwei?«

    »Sie und Herrn Wallenstein.« Ich grinste. »Einer, der Gutes tut, und einer, der den Haushalt macht.«

    Schadewaldt fand das nicht komisch. »Biegen Sie an der Ampel links ab.«

8

    Der Grüne Winkel war in jeder Hinsicht eine bessere Adresse als Frickes Biotop. Eine gepflegte Gartenanlage umgab das erlauchte Etablissement, ein breiter Kiesweg führte zum Haus und drei breite Marmortreppenstufen hinein. Der Innenraum erinnerte mich im ersten Moment an eine römische Villa, wie ich sie aus Sandalenfilmen wie Quo Vadis kannte: hohe Säulengänge, Nischen, in denen Kerzen brannten, steinerne Statuen, bunte, an den Wänden wallende Tücher. In der Mitte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher