Alles Wurst
wurden billige Nahrungsmittel à la Biotop in meiner Küche gefunden. Das Haltbarkeitsdatum seit Monaten überschritten. Und das Gesundheitsamt vor der Tür. Alles Zufall natürlich, und Fricke wusste von nichts.«
»Sie meinen also, nicht Sie, sondern er −«
»Wie auch immer.« Wallenstein erhob sich und schenkte mir ein letztes geschäftsmäßiges Lächeln. »Ich habe jetzt zu tun. Das Fernsehen wartet nicht gern. Machen Sie’s gut und bestellen Sie sich noch was auf Kosten des Hauses.« Das Lächeln rutschte vom Geschäftsmäßigen ins Höhnische. »Sie sehen nicht so aus, als ob sich für Sie eine solche Gelegenheit oft ergäbe.«
In diesem Augenblick durchzuckte mich die Erkenntnis, dass Frickes Verdächtigungen alles andere als haltlos gewesen waren. Nachträglich pflichtete ich ihm bei und entschuldigte mich für meine Häme. Es war wie eine Offenbarung, die einen aus heiterem Himmel ereilt, einer dieser lichten, hellen Momente. Ganze Religionen verdanken ihnen ihre Existenz. Mit einem Mal besaß ich den Weitblick, den Mordfall Fricke bis zu seiner Auflösung zu durchdenken und wusste: Wenn der Job des Privatdetektivs jemals einen Sinn auf Erden gehabt hatte, dann bestand er darin, diesem arroganten Menschen mit der albernen Günter-Grass-Pfeife eine Schuld nachzuweisen. Es gab gar keine andere Möglichkeit. Was er getan hatte und warum, würde ich noch herausfinden. Aber meine Schnüfflernase sagte mir, dass dieser Kerl es nicht verdiente, ungeschoren davonzukommen.
»Heh, guter Mann!« Jemand, der in der Nische auf der anderen Seite des Teiches saß, prostete mir zu. »Wenn der Chef Ihnen ein Essen ausgibt, sollten Sie es nicht ausschlagen. Ich kann das Schneckenomelett empfehlen.« Ohne mein Einverständnis einzuholen, packte er sein Weinglas und seinen Teller, kam herüber und setzte sich zu mir. »Nehmen Sie es ihm nicht übel, wenn er unwirsch ist. Er hat viel um die Ohren. Heute dreht der Westdeutsche Rundfunk eine Folge der Serie Gourmet-Oasen in NRW. «
»In diesem Lokal?«, vermutete ich.
»Zucker mein Name«, stellte sich mein Gegenüber vor. Ein schlanker Typ, schätzungsweise Mitte vierzig mit rotbraunem, lockigem Haar, bleichem Teint und stark abstehenden Ohren. Eine Fledermaus.
»Sie sind Stammkunde hier?«, fragte ich.
»Laufkundschaft.« Die Fledermaus hob eine Gabel, deren Zinken in einer Kartoffel steckten, und richtete sie auf mich. »Sie sind also Privatdetektiv?«
»Woher wissen Sie das denn?«
»Diese Räumlichkeit ist hellhörig. Ohne es zu wollen, bekommen Sie Dinge mit, die nicht für Ihre Ohren bestimmt sind.«
Ich konnte mir vorstellen, dass Lauschlappen wie die seinen alle Räumlichkeiten hellhörig fanden.
»Arbeiten Sie an einem Fall?«, wollte der Mann wissen. »Versuchen Sie am Ende herauszufinden, ob Wallenstein selbst hinter dem Ableben Frickes steckt?«
»Warum sollte Sie das interessieren?«
Die Hand, die die Gabel hielt, winkte ab und verlor dabei die Kartoffel. »Ich bin nur ein gewöhnlicher Bewohner dieser Stadt, der den Herrn dieses Hauses an der Spitze einer Bewegung erlebt. Und der sich wie alle natürlich besorgt fragte, ob die Affäre Fricke sein Watergate werden wird.«
»Watergate«, meinte ich. »Das scheint mir etwas hoch gehängt.«
Er grinste spitzbübisch. »Mit seinen Erwartungen sollte man nie zu bescheiden umgehen.«
»Wenn Sie Wallenstein nicht mögen«, wunderte ich mich, »warum speisen Sie dann in seinem Restaurant?«
»Erstens, weil Sie dieses traumhafte Schneckenomelett sonst nirgends bekommen. Und zweitens aus rein beruflichem Interesse.«
»Sie betreiben auch ein Restaurant?«
Kopfschütteln. »Aber ich habe auch mit Ernährung zu tun, allerdings eher auf wissenschaftlicher Ebene. Weltbevölkerung, Nachhaltigkeit und so weiter.«
»Und daher kennen Sie Wallenstein?«
»In gewisser Weise«, erklärte mein Gegenüber kauend. »Es ist viele Jahre her, ich war noch ein junger Kerl und kam gerade von der Uni. Der große Wallenstein war damals auch noch nicht groß, sondern schlichter Inhaber eines Bioladens. Ich bewarb mich bei ihm um einen Job. Er wollte mich aber nicht einstellen. Was glauben Sie, warum?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Wegen meines Namens. Rainer Zucker.« Das Gesicht zwischen den großen Ohren verzog sich zu einer Grimasse. »Niemand, der so heißt, arbeitet in einer Firma, die sich auf ihr Biosiegel etwas einbildet.«
»Hat er das gesagt?«
»Natürlich nicht. Er erfand eine
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