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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
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Rotkohl und Kartoffelbrei. Das mag ich.«

    Aber Jans Onkel will unbedingt, dass er von der Wurst isst. »Greif zu, habe ich gesagt.«

    »Das werde ich nicht«, beharrt Jan. »Ich verstehe überhaupt nicht, wie man tote Tiere essen kann. Menschen, die das tun, widern mich an.«

    »Ich also auch?«, fragt der Onkel pikiert. »Widere ich dich auch an? Na los, sag schon.«

    Jan schweigt verbissen.

    »Vor etwas, das dein Onkel dir zum Geburtstag geschenkt hat, ekelt man sich nicht. Abgesehen davon ist Fleisch gesund. Iss deinen Teller leer, du Hosenscheißer.«

    Er legt eine fette Wurst auf Jans Teller und besteht darauf, dass Jan aufisst.

    Aber der Junge weigert sich.

    Schließlich wird er auf sein Zimmer geschickt und muss drei Tage dort bleiben, bei Wasser und Brot.

    Doch dem Onkel wird sein überhebliches Grinsen noch vergehen …

     
    Und viele Jahre später ist es so weit: Der hässliche Mann mit der Rüsselnase will sich gerade über eine seiner Würste hermachen, als er unerwarteten Besuch bekommt. Der Rächer steht mitten in seinem Zimmer, ein aufrechter Mann, stark und kampfbereit, strahlend wie ein Held. In der Hand schwingt er das Sendschwert. Der Onkel erbleicht, er sabbert und stottert und bettelt um sein Leben, der feige Lump.

    »War ich nicht immer wie ein Onkel zu dir?«, stammelt er. »Sag mir, womit ich deinen Zorn heraufbeschworen habe!«

    Doch er bettelt umsonst. »Nimm das hier«, verkündet der Rächer. »Büße nun für die Sünden des Fleisches, denen du so lange ungestört gefrönt hast!«

    Und das Schwert fährt auf ihn hernieder wie die Rache Gottes.

7

    Am Rande Hiltrups, eines zwar nicht sehenswerten, doch immerhin südlichen Stadtteils von Münster, jenseits der beiden Kanalarme, die als einzige Wasseradern das karge Land durchzogen, lag ein betagter Bauernhof, der noch aus jener rauen Zeit stammen mochte, als münsterländische Siedler dem wilden Land jeden Zollbreit Erde abtrotzen mussten. Damals hatte man es wohl eher eine Ranch genannt, mit weitläufigen Koppeln für die Pferde, Weiden für Horn- und Federvieh und großzügig angelegten Unterkünften für Knechte und Tagelöhner.

    Heutzutage war die Casa Verde ein Musterbetrieb für ökologische Lebensführung, ein Muss für den Nachhaltigkeitstourismus aus aller Welt, der sogar in Individualreiseführern Erwähnung fand. Man konnte hier biologische Produkte direkt vom Erzeuger erwerben, frei laufendem Geflügel beim Laufen zusehen, eine hauseigene Schlachterei, in der sanftes Töten nach der Kensington-Faithful-Methode praktiziert wurde, bewundern oder bei einem Spaziergang über das malerische Gelände dem berühmten Götz Wallenstein begegnen, jenem visionären Vordenker, der über diese grüne Idylle herrschte und dessen sämtliche Veröffentlichungen über die Notwendigkeit einer Neubesinnung sowie die Utopie einer Welt ohne Massentierhaltung im Hofshop zum Kauf auslagen.

    Leider hatte ich nicht das Glück, dem Guru zufällig zu begegnen. Der sonnige Nachmittag hatte viele Besucher angelockt, und um zum Haus zu gelangen, musste ich mich durch eine Rotte Hängebauchschweine hindurchkämpfen. Jedes hatte mindestens vier Kinder im Schlepptau, die es mit Ökofutter vollstopften, während die Eltern das Schauspiel mit Digitalkameras festhielten.

    Die kleine Eifersuchtsszene von gestern Abend hatte für mich immer noch einen üblen Nachgeschmack. Je öfter ich sie vor meinen Augen ablaufen ließ, desto peinlicher erschien sie mir. Laura hatte mir einen Fall verschafft und mich in ihr Lieblingsrestaurant eingeladen, um mir zu zeigen, dass sie mich für alles andere als einen alten Knacker hielt. Und ich hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als mich wie ein weltfremder Opa aufzuführen, der von digitalen Lebenswelten keinen Schimmer hatte. Damit nicht genug, hatte ich auch noch schmollend das Lokal verlassen, nur weil sie mit jemand anderem telefoniert hatte. Vielleicht konnte ich die Schlappe ausbügeln, wenn ich ihrem Vater meine Aufwartung machte.

    Auf mein Läuten öffnete ein kleiner, spindeldürrer Mann mit Bürstenhaarschnitt und randloser Brille die Tür.

    »Ich hätte gern Herrn Wallenstein gesprochen«, sagte ich. »Mein Name ist Voss. Ich bin Privatdetektiv.«

    »Nun, ich müsste gerade nachsehen, ob er zu sprechen ist …«

    »Tun Sie das.« Ich machte Anstalten einzutreten, aber der Mann blieb in der Tür stehen.

    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, draußen zu warten? Drinnen ist alles frisch gewischt.
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