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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Guesken
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als ich das hörte? Geschieht dem Kerl ganz recht. Schon wegen damals.«

    Jetzt wurde es interessanter. »Wegen damals?«

    »Eine alte Geschichte.« Castrop drehte sich auf dem Stuhl, der sein Bestes gab. »Götz hatte damals eine neue Flamme namens Selma. Eine scharfe Braut und vor allem völlig hin und weg von Götz’ Geschwafel. Sie stand auf Geschwafel, wurde davon richtig feucht, wenn Sie verstehen, was ich meine. Tja, und dann, eines Tages, gingen die beiden auf Tauchurlaub. Als Selma sozusagen wieder auftauchte, fehlten ihr zwei Finger. Ein Hai hatte sie gefressen. Tja, und das war’s dann.«

    »Was war’s?«

    »Selma war Cheerleader, na ja, davon gibt’s ja hierzulande nicht viele, was? Sie war schon zweimal im Fernsehen gewesen. Cheerleadern war ihr Ein und Alles und ihr Markenzeichen war das Victoryzeichen.« Castrop hechelte wie eine Bulldogge. »Den Rest können Sie sich denken.«

    Er hechelte. Ich wartete.

    »Ohne die Finger kein Victoryzeichen und ohne das Zeichen kein Cheerleader. Selma hat das nicht verkraftet. Sie wurde seltsam, traute sich nicht mehr hinaus und bekam Depressionen. Sie starb, als ihr Kleiner erst zwei Jahre alt war.«

    »Sie hatte einen Sohn?«

    »Soviel ich von Heiner weiß, hat Siegbert sich damals um ihn gekümmert.«

    »Sie meinen, der Kleine ist nicht bei seinem Vater aufgewachsen?«

    »Wie sollte er denn? Sie wollte ihm ja nichts davon sagen. Abgesehen davon war wohl Götz auch nicht gerade das, was man den geborenen Vater nennt.«

    »Was ist aus dem Jungen geworden?«

    »Keine Ahnung. Siegbert hat ihn nach Holland auf eine bessere Schule geschickt. In Leiden, soviel ich weiß.« Castrop sonderte noch ein paar Schnaufer ab. »Ich frage mich, ob diese Finger etwas mit Heiners Tod zu tun haben. Was denken Sie?«

    »Ich denke, der eine der beiden ist nur irrtümlich im Biotop gelandet. Die Finger waren nicht für Ihren Bruder, sondern für Wallenstein bestimmt. Verstehen Sie: Selmas Finger, die der Hai gefressen hatte. Deswegen hat der Attentäter Finger ins Essen geschmuggelt.«

    »Sie meinen, so was wie ein Geist aus der Vergangenheit?«

    »Wäre doch möglich. Schließlich haben Sie selbst bestätigt, dass Sie drei nicht die besten Freunde waren.«

    Der Chef von Allwetterfleisch musterte mich mit einem schrägen Blick. Seine fleischigen Lippen rieben sich aneinander wie zwei Riesenmaden bei der Paarung. »Hören Sie mal, junger Mann«, meinte er zugeknöpft. »In jeder Beziehung gibt es doch den Punkt, wo man dem anderen gern ein Messer in den Rücken rammt, das ist ganz normal.« Er sah auf die Uhr. »Und jetzt habe ich noch eine wichtige Besprechung. Wenn Sie wollen, essen Sie in unserer Kantine. Sagen Sie, ich hätte Sie eingeladen.«

16

    Eigentlich hatte ich keine Lust auf Kantinenessen, aber im Foyer duftete es verführerisch, also wurde ich schwach.

    Der Speisesaal befand sich im Erdgeschoss des Allwetterfleisch -Gebäudes . Praktisch von jedem Tisch aus konnte man die Aussicht auf die Softwarefirma gegenüber sowie den Großmarkt für Bad- und Sanitärartikel weiter draußen genießen. Es herrschte Mittagsbetrieb, und dank der Warteschlange an der Ausgabetheke konnte ich mir einen Überblick über das Angebot verschaffen.

    Natürlich wurde die Speisekarte von Fleischgerichten dominiert. Es gab Gehacktes, Gegrilltes und Geschnetzeltes, Leipziger Allerlei und Wurst in allen erdenklichen Darreichungsformen. Außerdem auch interessante Kreationen wie Ente B54 , Alarmstufe Rot − eine Blutwurstpfanne mit Rotkohl – und nicht zuletzt Bärchenragout Knut.

    Ich entschied mich für die Ente, schnappte mir dazu eine Schale abgestandenen Krautsalat und einen undefinierbaren Nachtisch, packte alles auf ein Plastiktablett und balancierte es an einen freien Tisch.

    »Eine vorzügliche Wahl«, lobte jemand, der sich mir gegenüber setzte, während ich meine Erwerbung in Augenschein nahm.

    Es war der Kerl mit den Fledermausohren, der mir neulich schon beim Essen im Grünen Winkel Gesellschaft geleistet hatte.

    »Herr Zucker«, sagte ich. »Was führt Sie denn hierher?«

    »Das war eigentlich meine Frage an Sie, Herr Voss. Was mich betrifft, so ist die Antwort banal: Ich habe Mittagspause.«

    »Sie arbeiten hier?«

    »Schuldig im Sinne der Anklage.«

    »Sagten Sie denn nicht, Sie seien in der Nachhaltigkeitsforschung tätig?«

    »Allerdings. Diese Firma bietet einem Nachhaltigkeitsforscher optimale Arbeitsbedingungen. Nehmen Sie beispielsweise diese

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