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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Guesken
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beschäftigte. Das haben Sie ihm verständlicherweise übel genommen.«

    »Blödsinn, das habe ich doch bloß erfunden!«, fuhr mich Zucker unerwartet heftig an. »Aber dieser Kerl hat meine Schwester gevögelt. Und er hat sie auf dem Gewissen. Wie auch immer, eines Tages wird er dafür bezahlen. Ich wünsche einen schönen Tag.« Er riss die Stahltür auf, schlüpfte hinaus und zog sie hinter sich zu.

    »Selma war Ihre Schwester?«, rief ich hinterher und rüttelte an der Klinke. Ich saß schon wieder fest. »Zucker, machen Sie die verdammte Tür auf!«

30

    Sie klemmte tatsächlich. Als ich mich mit meinem ganzen Gewicht gegen die Tür warf, sprang sie auf, und ich landete unsanft in dem Gang, in dem man mich niedergeschlagen hatte. In der Tiefgarage suchte ich vergeblich nach Zucker und Kittel. Mein Partner war so fürsorglich gewesen, mir für den Fall, dass ich nicht erfroren war, den Wagen dazulassen. Ich musste dringend weg. Kim hat Neuigkeiten. Bis später im Handycap. K., stand auf einen Zettel gekritzelt, der unter dem Scheibenwischer klemmte.

    Es gab drei Gründe, den Zettel zu zerreißen. Erstens: Ich hatte nicht die geringste Lust auf eine Teambesprechung mit Kim und Kittel, zweitens: Das Handy-Restaurant würde ich erst wieder betreten, wenn ich ein islamistischer Terrorist war und eine Bombe um meinen Bauch trug, und drittens: Es war bereits zehn vor acht, und um acht Uhr erwartete mich die Engelsgleiche zum Abendessen.

    Einmal abgesehen davon, dass es durch den Zwischenfall im Kühlschrank zu spät zum Umziehen war, geschweige denn zum Duschen, bot der Abend ideale Bedingungen: Die Sonne war bereits untergegangen, aber es war noch nicht dunkel. Es war die Zeit zwischen Tag und Dunkelheit, die es fertigbrachte, alle, sogar mich, in eine romantische Seele zu verwandeln. Ich stellte den Wagen auf dem Hindenburgplatz ab und lief zu Fuß in die Hollenbeckerstraße, atmete die milde Abendluft, die angefüllt war vom Duft der Kräuter aus den Restaurants und der Parfums vorbeiradelnder Frauen.

    Laura trug das Haar offen, einen grob gestrickten weiten Pulli und darunter eine nahezu durchsichtige Bluse − sie hatte offenbar viel Zeit zum Duschen gehabt. »Schön, dass du gekommen bist«, begrüßte sie mich an der Tür.

    Bei Kerzenlicht und indirekter Beleuchtung kam die Atmosphäre der Wohnung viel besser zur Geltung als bei meinem ersten Besuch. Wie ich mit Genugtuung bemerkte, hatte Laura die Wäsche im Flur und alles andere, was auf Bölling deutete, entfernt. Im Wohnzimmer wartete ein Tisch für zwei mit allen Schikanen: weiße Tischdecke, Weingläser, Kerzen und eine Schale mit Knabberzeug.

    »Ich habe dich gar nicht gefragt, ob du Fisch magst«, sagte Laura.

    Mein Zögern dauerte nur eine winzige Sekunde. Noch einmal würde mir dieser Fauxpas nicht unterlaufen. »Und wie ich ihn mag«, entgegnete ich. »Deswegen käme es niemals für mich infrage, ihn zum Abendessen zu verspeisen.«

    Damit hatte ich den Test bestanden. Laura trug allerhand Vegetarisches auf: grünen Salat, weißen Salat, roten Salat, Grünkernfrikadellen an Bärlauchcreme und Rucola mit gegrilltem Feta. Nicht gerade mein Fall. »Du hast dir so viel Mühe gemacht«, staunte ich.

    Sie schenkte mir Wein ein. »Erzähl doch mal: Was hat dich dazu gebracht, bei Robin Food aufzuhören?«

    »Hab ich dir doch schon gesagt: Weil ich finde, dass es nicht okay ist, über Tiere keine Witze zu machen, weil man sie nicht diskriminieren will, und dann in ein Restaurant zu gehen und sie aufzuessen.«

    »Ja, das ist erst recht diskriminierend«, nickte sie beifällig.

    »Im Kopf, verstehst du, ist mir das alles schon lange klar gewesen. Aber das reicht nicht. Es braucht immer eine konkrete Erfahrung, damit man sein Verhalten ändert. So war es bei mir, als ich den Fisch wiedergetroffen habe.«

    »Den Fisch?«

    »Es war in Portugal, wo ich vor Jahren Urlaub gemacht habe. Ich schlenderte am Kai entlang und sah den Fischern dabei zu, wie sie ihre Netze einholten. In einem Netz zappelte ein Lachs und ich trat näher. Der Fisch sah mich an.«

    »Er sah dich an?« Laura vergaß zu kauen.

    »Ich schwöre es dir. So etwas spürt man vielleicht nur einmal im Leben. Das Tier sah mich an und schien mich um Hilfe anzuflehen. Und mir ging es durch und durch, verstehst du? Also packte ich es und warf es ins Wasser.«

    Erleichterung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.

    »Aber dann …«

    »Was dann?«

    »Abends war ich bei Freunden eingeladen.

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