Alles Wurst
warst es. Da liegen die Beweise!«
»Soll ich die Bilder holen? Ich habe sie auf meiner Festplatte gespeichert. Du wirst sehen, ich −«
»Du kannst mich mal. Mach, dass du wegkommst!«
Ich bückte mich und hob das Begleitschreiben auf, das auf den Boden geflattert war.
Laura, mein Liebes,
ich weiß, dass du mich hasst. Nach diesem Brief musst du es tun. Ich habe dir etwas vorgespielt, so wie der Mann auf diesen Bildern, der allen erzählt, er sei der größte Tierfreund seit Mahatma Gandhi. Aber sieh dir die Fotos an, sie beweisen ja wohl etwas anderes.
Alles war so perfekt geplant. Man hat mir Geld gezahlt, mit dir zusammen zu sein, und ich habe das Geld genommen, weil ich es dringend brauchte, um meiner behinderten Tante einen Rollstuhl zu kaufen. Alles lief wie am Schnürchen, nur eines war nicht geplant: dass ich mich in dich verlieben würde. Ja, ich liebe dich, mein Schatz, und ich ertrage es nicht, dir weiter dieses Theater vorzuspielen. Deshalb habe ich beschlossen, mich radikal zu ändern. Ab heute, du wirst sehen, werde ich die Hand beißen, die mich füttert.
Alles von mir war nicht echt, so wie Henk Voss, den du auf den beiliegenden Bildern siehst, nicht echt ist. Deshalb verlange ich auch nicht, dass du mir verzeihst, Laura. Ich bin es nicht wert.
Nur eines möchte ich noch für dich tun: Ich weiß, wie viel Schwarzenegger dir bedeutet hat. Und deshalb überlasse ich dir wenigstens die Beweismittel, die seinen Mörder entlarven.
Dein Mirko
PS: Meine Telefonnummer ist immer noch dieselbe.
»Das ist ja herzallerliebst«, spottete ich.
»So, findest du?«
»Dass er so dick auftragen würde, hätte ich nicht gedacht. Seine Tante im Rollstuhl, die Hand beißen, die einen füttert. Er hat sich nicht mal um Originalität bemüht.«
»Sei still, darum geht es überhaupt nicht.«
»Aber, Laura, das ist doch nicht dein Ernst. So hoffnungslos naiv kannst doch selbst du nicht sein, dass du auf dieses unwürdige Geschluchze hereinfällst!«
Einen Augenblick war es still.
»Selbst ich nicht?«, fragte sie. »Was meinst du damit, Henk?«
»Nichts, nur dass dieser Kerl die ganze Zeit aus einem einzigen Grund den Vollkornidioten gespielt hat: um dir an die Wäsche zu gehen. Der Ökokram war ihm schnurzpiepegal!«
»Und ich bin hoffnungslos naiv, ja?«
»Nein, natürlich nicht. Wer sagt denn das?«
»Du. Gerade eben.«
»Nein. Das heißt, ja, vielleicht, aber ich habe es bestimmt anders gemeint.«
»Besser, du gehst jetzt.« Laura hob ihren Arm und stand da wie der Erzengel, der den Garten Eden bewachte. »Du solltest mich auch nicht wieder anrufen.« Sie kämpfte mit den Tränen. »Nie wieder Fisch – findest du das vielleicht originell?«
31
So also sah der traurige Höhepunkt dieses Tages aus: Statt in Lauras Bett zu liegen und mit meinen Lippen ihre seidenweiche Haut zu erforschen, stand ich in Unterhosen auf der Hollenbeckerstraße und musste mir Anzüglichkeiten von den Studenten anhören, die mit der Bierflasche in der Hand in Richtung Rosenplatz unterwegs waren. Zugegeben, es war ein genialer Coup des Rattengesichts, meinem Gegenschlag zuvorzukommen. Bölling war mit Lauras Affinität zu Kitsch und Sentimentalität eben viel vertrauter als ich, ein Vorteil, den er schamlos ausgenutzt hatte. Aber er sollte sich nicht einbilden, dass er damit durchkam. Er durfte nicht durchkommen, weil dies keine Welt sein konnte, in der drittklassiges, unzumutbares Gesülze über echte Gefühle triumphierte. Meine Seele lechzte nach Rache.
Ich zog meine Klamotten an, die ich vom Boden aufgeklaubt hatte, in letzter Sekunde, bevor die Tür hinter mir zuschlug, stieg auf mein Fahrrad und radelte los. Es traf sich gut, dass ich mir über Kittels Fahndungsprogramm Böllings Nummer besorgt hatte. Während ich über die Promenade strampelte, rief ich ihn per Handy an, aber der Feigling meldete sich nicht und schickte seine Mailbox vor.
»Fühle dich bloß nicht zu sicher, Rattengesicht«, zischte ich. »Was Schwarzenegger zugestoßen ist, kann auch dir passieren. Ich würde sagen, du bist so gut wie tot.«
»Wer ist so gut wie tot?«, erkundigte sich ein junger Mann in einem sportlichen grünen Fahrradanzug, der mit seinem Rad neben mir fuhr.
»Was geht dich das an?«, raunzte ich. »Kann man hier nicht ungestört im Sattel sitzen, ohne dass jemand die Privatsphäre verletzt?«
»Paragraf 23 der Straßenverkehrsordnung, Absatz 1: Verbotswidriges Benutzen eines
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