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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Guesken
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in der Hand hatte, warum sollte er dann seinen eigenen Bruder umbringen?«

    »Vielleicht wollte Fricke alles ausplaudern und seinen Geschäftspartner mit in den Abgrund ziehen. Das kriegen wir schon noch −«

    In seiner Tasche piepste es. Kittel zog sein Handy hervor. »Heh, was ist?«, sagte er. »Kim?« Er schüttelte den Kopf. »Die Verbindung ist zu schlecht«, wandte er sich an mich. »Ich suche mir eine Stelle, wo ich telefonieren kann.« Damit stieg er aus und verdrückte sich in Richtung Ausgang.

    »Heh!«, rief ich ihm nach. »Wir sind mitten in einer Ermittlung!«

    Na schön, dann würde ich mich eben allein auf den Weg machen. Auch ich verließ das Auto und schritt die ganze Fläche der Garage ab. Es gab zwei Notausgänge, einen Lift, der, wie ich annahm, zum Haupteingang führte, und schließlich eine Stahltür mit der Aufschrift Lagerbereich. Bingo!

    Ich hielt nach Kittel Ausschau, aber auch in diesem Punkt hatte er sich nicht geändert: Wenn man ihn brauchte, war er nicht da.

    Die Tür bewegte sich schwerfällig, aber sie war nicht verschlossen. Mir kamen erste Zweifel an meiner Theorie vom Geldschein unter der Kaffeetasse. Ich befand mich in einem Gang, der in schummeriges Neonlicht getaucht war. Hinter mir fiel die Eisentür ins Schloss. Ich drehte mich um und nahm einen Schatten wahr. Kittel? Bevor ich mir Gewissheit verschaffen konnte, ging ich k. o.

     
    Als ich aufwachte, befand ich mich in einem engen, fensterlosen Raum. Es gab nur ein schwaches Notlicht, das die gekachelten Wände grün beleuchtete. Über mir an der Decke tuckerte eine Art Motor: das Kühlaggregat. Jemand hatte mich niedergeschlagen und in einen Kühlraum gesperrt!

    Mühsam rappelte ich mich auf und tastete mich zur Tür. Auch eine Stahltür, aber diese war verschlossen. Ich rüttelte an der Klinke und trommelte mit den Fäusten. Die Tür war nicht beeindruckt, sie verschluckte den Lärm.  

    Es wurde kalt. Wie lange musste ich hier aushalten? Wie lange konnte ich aushalten? Ich dachte an meine Jacke, die auf dem Rücksitz des Autos lag, und bedauerte bitter, sie dort zurückgelassen zu haben. Es war kurz nach sieben. Die Allwetterfleischler saßen alle schon daheim vor den Fernsehern. Hier würde bestenfalls noch ein Nachtwächter vorbeischauen. Nein, auch das war eher unwahrscheinlich. Seit wann kontrollierten Nachtwächter das Innere der Kühlräume?

    Ich sehnte mich nach meiner Jacke. Ohne sie war ich verloren. Meine Glieder wurden immer steifer und der Zeitpunkt, an dem ich mich ein letztes Mal aufraffte, um mit Bewegung dagegen anzukämpfen, war schon vorüber. Bewegung oder nicht – wo war der Unterschied? Und wenn da einer war, ich hatte jetzt bestimmt keine Lust, mich damit zu beschäftigen.

    Stattdessen wartete ich geduldig auf den berühmten Augenblick, an dem das Leben wie ein Film an mir vorbeizog. Ich erinnerte mich dunkel, kürzlich erst gelesen zu haben, dass es gar nicht das Leben war, das an einem vorbeizog, sondern alle Frauen, die einen im Leben fasziniert hatten. Und dass sie sich in diesen letzten Lebensmomenten endlich so zeigten, wie man sie sich immer erträumt hatte. Und dass sie das mit einem machten, was man sich erträumt hatte. Wenigstens etwas, worauf man gespannt sein konnte, wenn alles zu Ende ging …

    Leider wartete ich vergeblich. Stattdessen bekam ich nur ein paar Szenen aus meinem Leben zu sehen, mit denen aber, wie mir schon bald auffiel, etwas nicht stimmte. Ich sah Situationen, an die ich mich genau erinnern konnte, die ich aber niemals erlebt hatte. Eine Expedition zum Südpol beispielsweise, an der ich vor zwei oder drei Jahren teilgenommen hatte. Es war kurz vor Weihnachten gewesen und fünfundvierzig Grad unter null. Am zweiten Advent hatte der Veranstalter eine kleine Feier draußen in der verschneiten Wildnis ausgerichtet. Es gab Pommes, tiefgefrorenes Fleisch und Fingerfood à la Biotop. Auf dem Rücksitz meines Wagens hatte ich vergeblich nach meiner warmen Jacke gesucht, aber da ich die Adventsfeier auf keinen Fall verpassen wollte, saß ich in meinem Schlaf-T-Shirt mit den anderen um einen riesigen Adventskranz herum und versuchte, mich an den beiden Kerzen aufzuwärmen, die sich ungünstigerweise auf der mir abgewandten Kranzseite befanden. Kittel, der neben mir saß, zog mir die Socken aus, weil er sie als Wichtelgeschenk für seine Schwester brauchte, und gab mir dafür Flip-Flops, weil er meinte, dass sie sich hervorragend für meinen nächsten Strandurlaub

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