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Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chinua Achebe
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es ist heute Morgen gestorben?«
    Okonkwo bejahte, und erst in diesem Augenblick wurde ihm klar, dass das Kind an ebendem Markttag seiner Geburt gestorben war. Auch die Nachbarn und Verwandten erkannten den Zufall und versicherten sich gegenseitig, wie bedeutsam er sei.
    »Wo liegst du bei deiner Frau, in deinem obi oder in ihrer Hütte?«, fragte der Heiler.
    »In ihrer Hütte.«
    »Rufe sie in Zukunft zu dir ins obi .«
    Dann wies der Heiler an, es dürfe keine Trauer um das tote Kind geben. Er holte aus seinem geschulterten Ziegenlederbeutel ein scharfes Rasiermesser hervor und entstellte den Leichnam [95]   . Dann packte er ihn am Fußknöchel und schleifte ihn hinter sich her in den bösen Busch, wo er ihn verscharrte. Nach einer solchen Misshandlung würde das obanje es sich zweimal überlegen, ob es wiederkehren wolle, es sei denn, es war eines der hartnäckigen, die sich nicht abhalten ließen und entstellt wiederkamen – mit fehlendem Finger möglicherweise oder einer dunklen Narbe an der Stelle, wo die Klinge des Heilers es gezeichnet hatte.
    Mit Onwumbikos Tod war Ekwefi eine sehr verbitterte Frau geworden. Die erste Frau ihres Mannes hatte bereits drei Söhne, allesamt gesund und kräftig. Als sie den dritten Sohn in Folge geboren hatte, ließ Okonkwo, wie es Brauch war, für sie eine Ziege schlachten. Ekwefi wünschte ihr gewiss nur das Beste. Doch war sie angesichts ihres eigenen chi so bitter geworden, dass sie sich kaum mit den anderen über das Glück freuen konnte. Als daher Nwoyes Mutter ihre drei Söhne mit Musik und einem Festessen feierte, ging Ekwefi als Einzige in der fröhlichen Gesellschaft mit umwölkter Stirn umher. Die erste Frau ihres Mannes hielt dies für Missgunst, wie es bei den Frauen eines Mannes gang und gäbe war. Sie konnte ja nicht wissen, dass Ekwefis Bitterkeit nicht nach außen zu den anderen drang, sondern nach innen in die eigene Seele, dass sie nicht anderen deren Glück übelnahm, sondern ihrem üblen chi die Tatsache, dass es ihr alles Glück verwehrte.
    Schließlich kam Ezinma zur Welt, kränklich zwar, aber offenbar entschlossen, zu leben. Anfangs nahm Ekwefi sie so an, wie sie auch die anderen angenommen hatte – schicksalsergeben. Doch als Ezinma das vierte, fünfte und sechste Jahr überlebte, hielt bei der Mutter erneut die Liebe Einzug und mit der Liebe die Sorge. Sie war fest entschlossen, das Kind gesundzupflegen, und sie widmete sich der Aufgabe mit Leib und Seele. Sie wurde mit Zeiten bester Gesundheit belohnt, während deren Ezinma vor Lebenskraft schäumte wie junger Palmwein. Dann schien sie außer Gefahr. Doch plötzlich warf es sie wieder nieder. Alle Welt wusste, dass sie ein ogbanje war. Die Wechselfälle von Krankheit und Wohlsein waren typisch für diese Wesen. Doch hatte Ezinma so lange überlebt, dass es schien, als habe sie sich zu bleiben entschieden. Es gab nämlich durchaus die, die den bösen Kreislauf von Geburt und Tod leid wurden oder aus Mitleid mit ihren Müttern blieben. Ekwefi glaubte im tiefsten Innern, dass Ezinma bleiben würde. Sie glaubte es, weil allein dieser Glaube ihrem eigenen Leben einen Sinn verlieh. Und in diesem Glauben hatte sie vor rund einem Jahr der Heiler bestärkt, der Ezinmas iyi-uwa [96]   ausgrub. Da hatte alle Welt gesehen, dass sie leben würde, weil ihre Verbindung mit der Welt der ogbanje gebrochen war. Ekwefi war beruhigt. Und doch blieb ihre Sorge um die Tochter so groß, dass sie ihre Angst nie ganz ablegen konnte. Obwohl sie das iyi-uwa , das geborgen worden war, für echt hielt, ließ sich nicht leugnen, dass manche wirklich bösen Kinder die Ihren dazu verleiteten, ein trügerisches auszugraben.
    Nun, Ezinmas iyi-uwa wirkte echt genug. Es war ein glatter Kiesel in einem schmutzigen Lumpen. Der Mann, der ihn ausgegraben hatte, war eben jener Okagbue, der im ganzen Klan wegen seines tiefen Wissens um diese Dinge hohes Ansehen genoss. Ezinma hatte zunächst nicht mitspielen wollen. Doch war das nicht anders zu erwarten. Kein ogbanje gab gern Geheimnisse preis, die meisten taten es nie, weil sie zu jung starben – bevor man ihnen Fragen stellen konnte.
    »Wo hast du dein iya-uwa vergraben?«, hatte Okagbue Ezinma gefragt. Damals war sie neun gewesen und erholte sich gerade von einer ernsten Erkrankung.
    »Was ist ein iyi-uwa ?«, lautete die Gegenfrage des Kindes.
    »Das weißt du genau. Du hast es irgendwo in der Erde vergraben, damit du sterben und wiederkehren kannst, um deine Mutter zu

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