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Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chinua Achebe
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getötet.«
    Draußen vor dem obi hoben Okagbue und Okonkwo auf der Suche nach Ezinmas iyi-uwa die Grube aus. Drum herum saßen die Nachbarn und sahen zu. Die Grube war jetzt so tief, dass man den Grabenden nicht mehr sehen konnte. Man sah lediglich den roten Lehm, der herausgeworfen wurde, einen immer höheren Haufen bilden. Okonkwos Sohn Nwoye, der sich nichts entgehen lassen wollte, stand dicht am Grubenrand.
    Okagbue hatte Okonkwo wieder abgelöst. Er grub, wie zuvor, schweigend. Die Nachbarn und Okonkwos Frauen redeten indessen. Die Kinder hatten das Interesse verloren und spielten.
    Plötzlich sprang Okagbue mit der Geschmeidigkeit eines Leoparden zu ihnen hoch.
    »Wir sind jetzt dicht dran«, sagte er. »Ich spüre es.«
    Sofort stieg die Spannung, alle, die saßen, standen auf.
    »Rufe deine Frau und das Kind«, befahl er Okonkwo. Doch Ekwefi und Ezinma hatten die Aufregung gehört und waren schon herbeigeeilt.
    Okagbue stieg erneut in die Grube, um die sich nun die Zuschauer drängten. Nach ein paar letzten Hacken Lehm stieß er auf das iyi-uwa . Er hob es vorsichtig mit der Hacke heraus und warf es hoch. Einige Frauen stoben ängstlich davon. Doch bald kehrten sie wieder, und dann blickten alle aus sicherer Entfernung auf den Lumpen. Okagbue erschien am Grubenrand, und ohne ein Wort zu sagen oder die Zuschauer auch nur eines Blickes zu würdigen, ging er an seinen Ziegenlederbeutel, holte zwei Blätter hervor und begann zu kauen [98]   . Als er sie geschluckt hatte, nahm er den Lumpen in die Linke und wickelte ihn auseinander. Und es fiel der glatte, blanke Kiesel heraus. Er hob ihn auf.
    »Gehört er dir?«, fragte er Ezinma.
    »Ja«, antwortete sie. Und da jubelten die Frauen, weil Ekwefis Kummer nun ein Ende haben würde.
    Das alles war vor mehr als einem Jahr geschehen, und Ezinma war seither nicht erkankt. Doch in der Nacht hatte sie plötzlich zu frösteln begonnen. Ekwefi hatte sie an die Feuerstelle getragen, dort ihre Matte ausgebreitet und Feuer gemacht. Aber es ging dem Kind immer schlechter. Vor Ezinma auf den Knien, mit der flachen Hand die feuchte, glühende Stirn fühlend, betete sie tausendmal. Die Frauen ihres Mannes konnten ihr noch so oft versichern, es sei nur iba ; sie hörte es nicht.

    Okonkwo kehrte mit einem großen Bündel Gräser und Blätter, Wurzeln und Rinden heilbringender Bäume und Sträucher aus dem Busch zurück. Er betrat Ekwefis Hütte, legte das Bündel ab und setzte sich.
    »Hol mir einen Topf«, befahl er, »und lass das Kind.«
    Ekwefi ging, den Topf zu holen, und Okonkwo wählte im rechten Mischverhältnis die besten Zutaten aus seinem Bündel und zerkleinerte sie. Er tat sie in den Topf, und Ekwefi gab etwas Wasser dazu.
    »Genügt es?«, fragte sie, als sie ihre Schale etwa zur Hälfte geleert hatte.
    »Ein wenig noch … ich sagte ein wenig . Bist du taub?«, brüllte Okonkwo sie an.
    Sie setzte den Topf auf das Feuer, Okonkwo packte sein Buschmesser und wollte in sein obi zurückkehren.
    »Gib acht auf den Topf«, sagt er im Gehen, »und lass es nicht überkochen. Sonst geht die Kraft verloren.« Er zog sich in seine Hütte zurück, und Ekwefi hütete den Heilmitteltopf fast so, als wäre er selbst ein krankes Kind. Ständig flog ihr Blick zwischen Ezinma und dem siedenden Topf hin und her.
    Okonkwo kehrte wieder, als er glaubte, die Medizin habe lange genug gezogen. Er begutachtete sie und erklärte sie für bereit.
    »Bring einen kleinen Schemel für Ezinma«, sagte er, »und eine dicke Matte.«
    Er nahm den Topf vom Feuer und stellte ihn vor dem Schemel ab. Dann weckte er Ezinma und setzte sie vor den dampfenden Topf auf den Schemel. Über beides wurde die dicke Matte geworfen. Ezinma wollte sich dem erstickenden Dampf entwinden, aber man hielt sie fest. Sie begann zu weinen.
    Als die Matte schließlich entfernt wurde, war das Kind schweißgebadet. Ekwefi rieb sie mit einem Tuch ab, dann legte sich das Kind auf eine trockene Matte und war bald darauf eingeschlafen.

Zehntes Kapitel
    Große Scharen versammelten sich auf dem ilo des Dorfs, sobald die Glut der Sonne ihr Feuer verloren hatte und den Körper nicht mehr peinigte. Der Großteil der gemeinsamen Zeremonien fanden zu dieser Tageszeit statt, und selbst wenn es hieß, ein Ritus werde »nach dem Mittagsmahl« beginnen, war jedermann klar, dass es erst sehr viel später anfinge, wenn die schlimmste Hitze sich gemildert hatte.
    Daran, wie die Leute standen und saßen, wurde deutlich, dass es sich um eine

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