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Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chinua Achebe
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die sie zusammenführte. Erst, nachdem der Krug geleert war, räusperte sich der Vater des Freiers und benannte den Grund für ihr Kommen.
    Obierika übergab ihm hierauf ein kleines Bündel kurzer Ruten. Ukegbu zählte sie.
    »Es sind dreißig?«, fragte er.
    Obierika nickte.
    »Endlich kommen wir weiter«, sagte Ukegbu, dann wandte er sich an seinen Bruder und seinen Sohn und sagte: »Wir wollen uns zurückziehen und flüstern.« Die drei Männer erhoben sich und gingen hinaus. Als sie wiederkehrten, reichte Ukegbu das Rutenbündel an Obierika zurück. Der zählte nun seinerseits; statt dreißig waren es jetzt nur noch fünfzehn. Er übergab das Bündel seinem älteren Bruder, Machi, der ebenfalls zählte und dann sagte: »Wir wollten nicht unter dreißig gehen. Doch wie der Hund sagt: ›Wenn ich mich für dich hinwerfe und du dich für mich, ist es ein Spiel.‹ Verheiratung sollte ein Spiel sein, kein Kampf; also werfen wir uns noch einmal hin.« Er gab zu den fünfzehn Ruten zehn dazu und reichte das Bündel an Ukegbu weiter.
    Auf diese Weise wurde Akuekes Brautpreis schließlich auf zwanzig Sack Kauri festgesetzt. Als die beiden Parteien sich einig geworden waren, dämmerte es bereits.
    »Geh und sage Akuekes Mutter, dass wir fertig sind«, befahl Obierika seinem Sohn Maduka. Fast augenblicklich erschien diese mit einer großen Schüssel Fufu. Ihr folgte Obierikas zweite Frau mit einem Topf Suppe, und Maduka brachte einen Krug Palmwein.
    Die Männer aßen und tranken und sprachen über die Sitten ihrer Nachbarn.
    »Erst heute Morgen«, erzählte Obierika, »sprachen Okonkwo und ich über Abame und Aninta, wo die Titelträger auf die Palmen steigen und für ihre Frauen Fufu zerstoßen.«
    »Bei denen stehen die Gebräuche kopf. Sie entscheiden den Brautpreis nicht wie wir mit Ruten. Sie handeln und feilschen, als kauften sie auf dem Markt eine Kuh oder eine Ziege.«
    »Das ist nicht recht«, sagte Obierikas ältester Bruder. »Aber was an einem Ort recht ist, ist es am anderen nicht. In Umunso handeln sie überhaupt nicht, auch nicht mit Ruten. Dort bringt der Freier einfach immer weiter Kaurisäcke, bis die Schwägerschaft sagt, dass es genug sei. Das ist keine gute Sitte, sie führt immer zu Streit.«
    »Die Welt ist groß«, sagte Okonkwo. »Ich habe gehört, dass in manchen Stämmen die Kinder des Mannes der Frau und ihrer Familie gehören.«
    »Das kann nicht sein«, sagte Machi. »Ebenso gut könnte man sagen, die Frau liege auf dem Mann, wenn sie die Kinder machen.«
    »Das ist wie die Geschichte von den weißen Männern, die den Gerüchten nach so weiß sind wie dieses Stück Kreide«, sagte Obierika. Und er hielt einen Kreidebrocken hoch, wie ihn jeder Mann in seinem obi bereithielt, damit seine Besucher ihre Striche auf die Erde malen konnten, ehe man miteinander Kolanüsse brach. »Und es heißt auch, diese weißen Männer hätten keine Zehen.«
    »Hast du sie schon mal gesehen?«, fragte Machi.
    »Du etwa?«, fragte Obierika zurück.
    »Einer kommt oft bei uns vorbei«, sagte Machi. »Sein Name ist Amadi.«
    Diejenigen, die Amadi kannten, lachten. Amadi hatte Lepra, die Krankheit, deren höfliche Umschreibung »Weißhaut« war.

Neuntes Kapitel
    Okonkwo schlief zum ersten Mal seit drei Nächten. Einmal wachte er mitten in der Nacht auf, und seine Gedanken kehrten zu den vergangenen Tagen zurück, ohne ihm Unbehagen zu bereiten. Er fragte sich vielmehr, weshalb ihm überhaupt unbehaglich zumute gewesen war. Er kam sich vor wie der Mann, der sich am helllichten Tag fragt, wie ihm ein Traum in der Nacht so schrecklich hat erscheinen können. Er streckte sich aus und kratzte sich am Schenkel, wo ihn im Schlaf eine Mücke gestochen hatte. Eine weitere sirrte an seinem rechten Ohr. Er schlug danach und hoffte, er habe sie erwischt. Warum hatten sie es nur immer auf die Ohren abgesehen? Als Kind hatte ihm seine Mutter darüber eine Geschichte erzählt. Aber die war so albern wie alle Weibergeschichten. Mücke, hatte sie erzählt, hatte Ohr gebeten, sie zu heiraten, doch Ohr fiel bloß vor Lachen um. »Wie lange, glaubst du, wirst du leben?«, hatte Ohr gefragt. »Du bist doch schon jetzt ein Skelett.« Mücke zog sich beleidigt zurück, aber immer, wenn sie zufällig vorbeikam, versicherte sie Ohr, dass sie noch lebe.
    Okonkwo drehte sich auf die Seite und schlief wieder ein. Am Morgen weckte ihn ein Hämmern an der Tür.
    »Wer ist da?«, knurrte er. Er wusste, es konnte nur Ekwefi sein. Von seinen drei

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