Alles zerfällt: Roman (German Edition)
unsere Schwager bringen viele Krüge Palmwein mit. Auch wenn sie aus einem Dorf kommen, das als kleinlich verschrien ist, sollten sie wissen, dass unsere Braut Akueke eines Königs würdig ist.«
»Sie werden es nicht wagen, mit weniger als dreißig Krügen zu erscheinen«, meinte Okonkwo. »Sonst kriegen sie von mir etwas zu hören.«
In diesem Augenblick führte Obierikas Sohn Maduka die gewaltige Ziege aus dem inneren Hof heraus, um sie den Verwandten seines Vaters vorzuführen. Sie alle zeigten sich gebührend beeindruckt und befanden, so sei es recht. Die Ziege wurde abgeführt.
Bald darauf trafen die ersten Schwager ein. An der Spitze des Zugs gingen einer hinter dem anderen junge Männer und Jungen mit Weinkrügen. Obierikas Verwandte zählten mit. Zwanzig, fünfundzwanzig. Danach entstand eine Lücke, und die Gastgeber wechselten Blicke, als wollten sie sagen: ›Wusste ich’s doch.‹ Doch dann ging es weiter. Dreißig, fünfunddreißig, vierzig, fünfundvierzig. Die Gastgeber nickten anerkennend, wie um zu sagen: ›Jetzt zeigen sie doch, dass sie wahre Männer sind.‹ Insgesamt waren es fünfzig Krüge Wein. Den Weinträgern folgten Ibe, der Freier, und die Ältesten seiner Familie. Sie ließen sich in einem Halbmond nieder und schlossen so den Kreis mit ihren Gastgebern. Die Weinkrüge standen in der Mitte. Nun erschienen die Braut, ihre Mutter und ein halbes Dutzend andere Frauen und Mädchen aus dem inneren Hof, sie umrundeten den Kreis und reichten allen die Hand. Die Mutter der Braut führte den Zug an, ihr folgten die Braut und dieser die übrigen Frauen. Die verheirateten trugen ihre besten Sachen, die Mädchen Rot zu schwarzen Perlgürteln und Fußreifen aus Messing.
Als die Frauen sich wieder zurückgezogen hatten, bot Obierika seinen Schwagern Kolanüsse an. Sein ältester Bruder brach die erste. »Leben uns allen«, sagte er dabei. »Möge zwischen eurer Familie und unserer Freundschaft sein.«
Die Anwesenden antworteten: Ee-e-e!
»Wir geben dir heute unsere Tochter. Sie wird dir eine gute Frau sein. Sie wird dir wie die Mutter unseres Dorfs neun Söhne schenken –«
Ee-e-e!
Der älteste Mann aus dem Lager der Gäste erwiderte: »Es wird für euch gut sein, und es wird für uns gut sein.«
Ee-e-e!
»Unsere Leute kommen nicht zum ersten Mal, eine eurer Töchter zu wählen. Meine Mutter war eine der Euren.«
Ee-e-e!
»Und es wird nicht das letzte Mal sein, denn ihr versteht uns, und wir verstehen euch. Ihr seid eine große Familie.«
Ee-e-e!
»Wohlhabende Männer und große Krieger.« Er blickte zu Okonkwo hin. »Deine Tochter wird uns Söhne wie dich schenken.«
Ee-e-e!
Die Kola wurde gegessen, Palmwein wurde ausgeschenkt. Vier bis fünf Männer bildeten nun jeweils um einen der Krüge einen kleineren Kreis. Im Laufe des Abends wurde den Gästen Essen gebracht. Es gab riesige Schüsseln Fufu und dampfende Kessel Suppe. Zudem gab es Töpfe mit Yams-Eintopf. Es war ein üppiges Fest.
Als die Nacht hereinbrach, wurden Fackeln in Dreifüße aus Holz gesteckt, und die jungen Männer stimmten ein Lied an. Die Ältesten saßen im losen Kreis, die Sänger umrundeten diesen und priesen der Reihe nach jeden von ihnen. Sie hatten lobende Worte für alle. Die einen waren tüchtige Bauern, andere große Redner, die für den Klan sprachen, Okonkwo war der größte lebende Ringer und Krieger. Als sie den Kreis umschritten hatten, setzten sie sich in dessen Mitte, und nun kamen die Mädchen aus dem inneren Hof hervor, um zu tanzen. Die Braut war zunächst nicht darunter. Doch als sie endlich mit dem Hahn [117] in der Rechten erschien, brach lauter Jubel aus. Alle Tänzerinnen machten ihr Platz. Sie überreichte den Hahn den Musikanten und begann ihren Tanz. Ihre Fußreife aus Messing klirrten, ihr Leib, mit Cambalholz eingerieben, glänzte im gelben Feuerschein. Die Musiker spielten auf ihren Holz-, Ton- und Metallinstrumenten ein Lied nach dem anderen. Alle waren fröhlich. Sie sangen das neueste Lied des Dorfs:
Pack ich ihre Hand
Sagt sie: ›Nicht!‹
Pack ich ihren Fuß
Sagt sie: ›Nicht!‹
Pack ich aber ihren Perlgürtel
Tut sie, als merke sie nichts.
Die Nacht war weit fortgeschritten, als die Gäste sich erhoben, um Abschied zu nehmen und die Braut für die nächsten sieben Marktwochen in die Familie ihres Freiers aufzunehmen [118] . Sie zogen singend von dannen und statteten bedeutenden Männern wie Okonkwo Höflichkeitsbesuche ab, ehe sie endgültig in ihr Dorf
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