Alles zerfällt: Roman (German Edition)
sagte Obierika. »Die Menschen von Umuike wollten, dass ihr Markt wächst und die Märkte aller Nachbarn schluckt. Also bereiteten sie einen starken Zauber zu. An jedem Markttag steht vor dem ersten Hahnenschrei der Zauber in Gestalt einer alten Frau mit Fächer auf dem Marktplatz. Mit diesem Zauberfächer winkt sie allen benachbarten Klans zu. Sie fächelt nach vorn und nach hinten, nach rechts und nach links.«
»Und dann kommen sie alle«, fuhr ein anderer fort, »ehrbare Männer wie Diebe. Auf diesem Markt können sie dir das Tuch von der Taille stehlen.«
»Ja«, stimmte Obierika zu. »Ich habe Nwankwo [114] eingeschärft, Augen und Ohren offen zu halten. Es gab einmal einen Mann, der hinging, um eine Ziege zu verkaufen. Er führte sie an einem dicken Strick, den er sich ums Handgelenk band. Doch als er den Markt überquerte, bemerkte er, dass die Leute auf ihn zeigten, wie sie es bei Verrückten tun. Er verstand es nicht, bis er sich umsah und feststellte, dass, was er am anderen Ende des Stricks führte, nicht die Ziege, sondern ein schwerer Baumklotz war.«
»Meinst du, ein Dieb bringt so etwas alleine fertig?«, fragte Nwankwo.
»Nein«, sagte Obierika. »Sie setzen Zauberkräfte dafür ein.«
Als sie den Ziegen die Kehlen durchtrennt und das Blut in einer Schüssel aufgefangen hatten, hielten sie die Tiere übers offene Feuer, um das Fell abzusengen, und der Geruch verbrannter Haare mischte sich mit dem Kochdünsten. Anschließend wurden die Tiere gewaschen und für die Suppenköchinnen zerlegt.
Die ganze Termitengeschäftigkeit lief reibungslos, bis plötzlich etwas dazwischenkam. Von ferne hörte man den Ruf: Oji odu achu ijiji-o-o! (Der mit dem Schweif die Fliegen vertreibt!) Die Frauen ließen alles stehen und liegen und stürzten in die Richtung des Aufruhrs.
»Wir können doch nicht einfach alle so weglaufen und die Speisen den Flammen überlassen!«, rief Chielo, die Priesterin. »Drei oder vier von uns müssen bleiben.«
»Du hast recht«, sagte eine Frau. »Drei oder vier Frauen dürfen zurückbleiben.«
Fünf waren es schließlich, die blieben, um die Kochtöpfe zu hüten, die übrigen stürzten davon, um nach der Kuh zu sehen, die ausgebrochen war. Als sie sie fanden, trieben sie sie zu ihrem Besitzer zurück, der damit die hohe Strafe zahlen musste, die das Dorf jedem auferlegte, der eine Kuh auf die Felder der Nachbarn entwischen ließ. Als die Frauen die Strafe eingetrieben hatten, überprüften sie, ob eine von ihnen es versäumt hatte, dem Ruf zu folgen.
»Wo ist Mgbogo?«, fragte eine.
»Sie liegt krank im Bett«, sagte Mgbogos Nachbarin. »Sie hat iba .«
»Dann fehlt nur Udenkwo«, sagte eine andere Frau, »und deren Kind ist noch keine sieben Marktwochen alt.«
Diejenigen Frauen, die Obierikas Frau nicht um Hilfe beim Kochen gebeten hatte, kehrten in ihre Hütten zurück, die anderen gingen geschlossen wieder auf Obierikas Hof.
»Wessen Kuh war es denn?«, fragten die Frauen, denen man gestattet hatte, zurückzubleiben.
»Die meines Mannes«, gestand Ezelagbo [115] . »Eines der kleinen Kinder hat das Tor zum Pferch geöffnet.«
Am frühen Nachmittag trafen die ersten beiden Krüge Palmwein von Obierikas Schwägerschaft ein. Sie wurden, wie es sich gehörte, den Frauen dargebracht, von denen jede ein oder zwei Becher trank, um sich beim Kochen zu stärken. Ein Teil ging an die Braut und die Mädchen, die ihr aufwarteten, die behutsam mit Rasiermessern letzte Hand an ihre Frisur und mit Cambalholz an ihre glatte Haut legten.
Als die Sonnenglut allmählich nachließ, packte Obierikas Sohn Maduka einen langen Besen und kehrte vor dem obi seines Vaters die Erde. Als hätten sie nur auf dieses Zeichen gewartet, trafen die ersten der Verwandten und Freunde Obierikas ein, die Männer mit ihren Ziegenlederbeuteln auf den Schultern und den aufgerollten Ziegenfellen unter dem Arm. Manch einer erschien in Begleitung eines Sohnes, der ihm den geschnitzten Holzschemel trug. Zu ihnen gehörte auch Okonkwo. Sie ließen sich im Halbkreis nieder und sprachen von vielen Dingen. Sie würden nicht lange auf den Freier warten müssen.
Okonkwo holte seinen Schnupftabak hervor und bot seinem Nebenmann Ogbuefi Ezenwa [116] eine Prise an. Ezenwa nahm die Flasche, schlug sie kurz gegen seine Kniescheibe und rieb die linke Handfläche an seinem Körper trocken, ehe er etwas Schnupftabak hineinschüttelte. Seine Bewegungen waren würdevoll, und währenddessen sagte er:
»Ich hoffe,
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