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Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chinua Achebe
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Tod heimgeführt und bei ihren Verwandten bestattet? Sie wird nicht bei den Verwandten ihres Mannes bestattet. Warum? Deine Mutter wurde zu mir heimgebracht und bei den Meinen bestattet. Warum?«
    Okonkwo schüttelte den Kopf.
    »Auch das weiß er nicht«, sagte Uchendu, »und doch ist er voll Kummer, weil er einige Jahre in seinem Mutterland leben muss.« Er lachte ohne Belustigung, dann wandte er sich an seine Söhne und Töchter. »Was ist mit euch? Kennt ihr die Antwort auf meine Frage?«
    Alle schüttelten den Kopf.
    »Hört also«, sagte er und räusperte sich. »Es stimmt, dass ein Kind seinem Vater gehört. Doch wenn ein Vater sein Kind schlägt, sucht es Trost in der Hütte seiner Mutter. Ein Mann gehört zu seinem Vaterland, solange alles gut und das Leben süß ist. Doch wenn es Leid und Bitternis gibt, findet er Zuflucht in seinem Mutterland. Deine Mutter ist da, dich zu beschützen. Sie ist hier bestattet. Und deshalb sagen wir, die Mutter sei das Höchste. Ist es da recht, Okonkwo, dass du deiner Mutter ein langes Gesicht zeigst und dich nicht trösten lässt? Gib acht, dass du die Toten nicht verärgerst. Deine Pflicht ist es, deine Frauen und Kinder zu trösten und sie nach sieben Jahren wieder in dein Vaterland zu führen. Wenn du aber zulässt, dass dich der Kummer beugt und tötet, dann müssen sie in der Verbannung sterben.« Er schwieg lange Zeit. »Dies sind nun deine Verwandten.« Er bezeichnete mit einer ausholenden Bewegung des Arms seine Söhne und Töchter. »Du hältst dein Leid für das schlimmste der Welt. Weißt du, dass Männer manchmal lebenslang verbannt werden? Weißt du, dass Männer manchmal alle ihre Yams einbüßen, ja sogar ihre Kinder? Ich habe einst sechs Frauen gehabt. Jetzt bleibt mir nur das junge Ding da, das nicht weiß, wo links und wo rechts ist. Weißt du, wie viele Kinder ich begraben habe – Kinder, die ich in meiner Jugend, meiner vollen Manneskraft gezeugt habe? Zweiundzwanzig. Ich habe mich nicht erhängt, ich lebe noch immer. Wenn du dein Leid für das schlimmste der Welt hältst, frage meine Tochter Akueni, wie viele Zwillinge sie geboren und fortgebracht hat. Kennst du nicht das Lied, das wir singen, wenn eine Frau gestorben ist?
    Für wen ist es gut, für wen ist es gut?
    Es kann niemanden geben, für den es gut ist.
    Mehr habe ich dir nicht zu sagen.«

Fünfzehntes Kapitel
    Im zweiten Jahr der Verbannung Okonkwos kam sein Freund Obierika ihn besuchen. Er kam in Begleitung zweier junger Männer, von denen jeder einen schweren Sack auf dem Kopf trug. Okonkwo half ihnen, die Lasten abzusetzen. Ohne Frage enthielten die Säcke Kauri.
    Okonkwo freute sich sehr über den Besuch des Freundes. Auch seine Frauen und Kinder freuten sich, ebenso seine Vettern und deren Frauen, nach denen er schickte und denen er seinen Gast vorstellte.
    »Du musst ihn zum Vater bringen, damit er ihn begrüße«, sagte einer der Vettern.
    »Ja«, erwiderte Okonkwo, »wir wollen gleich hin.« Doch ehe sie aufbrachen, flüsterte er seiner ersten Frau rasch etwas zu. Sie nickte, und bald jagten die Kinder einen der Hähne.
    Uchendu hatte schon von einem seiner Enkel gehört, dass Fremde auf Okonkwos Hof gesehen worden waren. Er erwartete sie daher bereits. Er streckte ihnen die Hände entgegen, als sie sein obi betraten, und nachdem sie sich die Hand gegeben hatten, fragte er Okonkwo, wer sie seien.
    »Das ist mein großer Freund Obierika; ich habe dir von ihm erzählt.«
    »Ja«, sagte der alte Mann und wandte sich Obierika zu. »Mein Sohn hat mir von dir erzählt, und ich freue mich, dass du uns besuchen kommst. Ich kannte deinen Vater Iweka [127]   . Das war ein großer Mann. Er hatte viele Freunde hier bei uns und kam häufig zu Besuch. Das waren noch Zeiten, als ein Mann Freunde in fernen Klans hatte. Eure Generation kennt das nicht mehr. Ihr bleibt zu Hause und fürchtet eure nächsten Nachbarn. Selbst das Mutterland eines Mannes ist ihm heute fremd.« Er warf Okonkwo einen Blick zu. »Ich bin ein alter Mann, ich schwatze gern. Zu mehr tauge ich heute nicht mehr.« Er erhob sich mühsam, trat in ein inneres Zimmer und kam mit einer Kolanuss wieder.
    »Wer sind die jungen Männer, die dich begleiten?«, fragte er, als er sich wieder auf seinem Ziegenfell niedergelassen hatte. Okonkwo sagte es ihm.
    »Ah«, meinte er. »Ihr seid willkommen, meine Söhne.« Er bot ihnen die Kolanuss an, und als sie gesehen und gedankt hatten, brach er sie, und sie aßen.
    »Geh dort in die

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