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Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chinua Achebe
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waren dumm. Was wussten sie schon von dem Fremden?« Er mahlte mit den Zähnen und erzählte zur Verdeutlichung eine Geschichte: »Die Milanmutter schickte einst ihre Tochter nach Nahrung aus. Diese flog fort und kehrte mit einem Entenküken wieder. ›Gut gemacht‹, pries die Milanmutter ihre Tochter. ›Nur sage mir, was hat die Mutter des Entenkükens gesagt, als du herabgestoßen bist und ihr Junges davontrugst?‹ ›Nichts hat sie gesagt‹, antwortete die Milantochter. ›Sie ging einfach davon.‹ ›Du musst das Entenküken zurückbringen‹, befahl die Milanmutter. ›Hinter dem Schweigen verbirgt sich Ungutes.‹ Und so brachte die Milantochter das Entenküken zurück und holte stattdessen ein Hühnchen. ›Was hat die Henne getan?‹, wollte die Milanmutter wissen. ›Sie hat gezetert und geschrien und mich verflucht‹, sagte die Milantochter. ›Gut, dann können wir das Küken fressen‹, entschied die Milanmutter. ›Von jenen, die ein Geschrei erheben, ist nichts zu befürchten.‹ Die Männer von Abame waren dumm.«
    »Sie waren dumm«, stimmte Okonkwo nach kurzem Schweigen zu. »Sie waren vor der Gefahr gewarnt worden. Sie hätten sich mit Gewehren und Kampfmessern bewaffnen müssen, als sie zum Markt gingen.«
    »Nun, sie haben ihre Dummheit teuer bezahlt«, sagte Obierika. »Doch mir macht die Sache große Angst. Wir alle kennen die Geschichten von weißen Männern, die mächtige Feuerwaffen schufen und starke Getränke brauten und Sklaven über die Wasser brachten, aber niemand hielt die Geschichten für wahr.«
    »Es gibt keine Geschichte, die nicht wahr ist«, sagte Uchendu. »Die Welt hat kein Ende, und was bei dem einen Volk als gut gilt, betrachtet ein anderes als Frevel. Unter uns gibt es Albinos. Meint ihr nicht, dass sie aus Versehen in unseren Klan geraten sind, dass sie sich aus einem Land hierher verirrt haben, wo alle so sind wie sie?«

    Okonkwos erste Frau war rasch mit dem Kochen fertig und setzte den Gästen ein reiches Mahl an zerstoßenen Yams und Bitterspinatsuppe vor. Okonkwos Sohn Nwoye brachte einen Krug süßen, von der Raffiapalme gezapften Wein.
    »Du bist ja nun ein richtiger Mann«, sagte Obierika zu Nwoye. »Dein Freund Anene lässt dich grüßen.«
    »Geht es ihm gut?«, fragte Nwoye.
    »Uns geht es allen gut«, sagte Obierika.
    Ezinma brachte sodann eine Schale Wasser, damit die Runde sich die Hände waschen konnte. Dann aßen und tranken sie.
    »Wann seid ihr aufgebrochen?«, fragte Okonkwo.
    »Wir hatten noch vor dem ersten Hahnenschrei von meinem obi losgehen wollen«, sagte Obierika. »Doch Nweke erschien erst bei vollem Tag. Man darf sich nie in der Frühe mit einem Mann verabreden, der gerade erst eine zur Frau genommen hat.« Alle lachten.
    »Hat Nweke eine neue Frau?«, fragte Okonkwo.
    »Er hat Okadigbos zweite Tochter zur Frau genommen«, erklärte Oberika.
    »Das ist gut«, sagte Okonkwo. »Ich kann dir nicht verübeln, dass du den Hahn nicht gehört hast.«
    Als sie gegessen hatten, deutete Obierika auf die zwei schweren Säcke.
    »Das ist der Preis für deine Yams«, erklärte er. »Die großen habe ich gleich nach deinem Fortgang verkauft. Von den Saatyams habe ich einige später verkauft und andere Teilhabern überlassen. So werde ich es jedes Jahr bis zu deiner Rückkehr halten. Aber ich dachte, du brauchst die Kauri jetzt, also habe ich sie dir mitgebracht. Wer weiß, was morgen ist? Vielleicht kommen grüne Männer und schießen uns über den Haufen.«
    »Das wird die Gottheit nicht zulassen«, sagte Okonkwo. »Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.«
    »Das kann ich dir verraten«, sagte Obierika. »Töte einen deiner Söhne für mich.«
    »Das wird kaum genügen«, erwiderte Okonkwo.
    »Dann töte dich selbst«, sagte Obierika.
    »Verzeih«, sagte Okonkwo mit einem Lächeln. »Ich werde nicht mehr von Dankesschuld sprechen.«

Sechzehntes Kapitel
    Als Obierika fast zwei Jahre später seinem Freund in der Verbannung erneut einen Besuch abstattete, standen die Dinge weniger gut. Es waren Missionare nach Umuofia gekommen. Sie hatten dort ihre Kirche errichtet, eine Handvoll Bekehrte gewonnen und schickten bereits Künder der Botschaft in die umliegenden Dörfer. Das bereitete den Anführern des Klans großen Kummer, doch viele meinten, der seltsame Glaube und der Gott der weißen Männer könne nicht überdauern. Nicht einer der Bekehrten war ein Mann, dessen Wort in der Dorfversammlung Gewicht hatte. Nicht einer war Titelträger. Es

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