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Alles Zirkus

Alles Zirkus

Titel: Alles Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Brandt
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einem die Legion bei. Worauf es ankommt, das trägt er am Leib, etwa den ebenfalls verbogenen französischen Personalausweis. Auf ihm steht sein Nom de Guerre. Als er in die Legion eintrat, wurde er gefragt, wie er sich zu nennen vorhabe, wenn er nicht länger Armin Emser heißen wolle. René Schach – dabei bleibt es jetzt.
    Er war als Ausbilder in Guayana. Nicht einmal nachts kühlte die Luft ab, der heiße Brodem machte träge. Mehr war gar nicht nötig, die Tropenluft ließ einfach alles verfaulen und dabei müde der eigenen Auflösung folgen. Darum musste man die Leute doppelt hart anfassen. Die Neuen ließ er gleich einmal schwer bepackt mit der Machete das wild wuchernde Gehölz abhacken – so lange, bis sie selbst umfielen. Nach einigen Wochen war aus den jungen Legionären alles Weiche herausgedrückt wie aus zerknautschten Zahnpastatuben. Der Kahlschädel, den einem die Legion verpasst, heißt Boule à zéro . Gelegentlich flog zwar ein Lächeln über seine Züge, wenn er unvorbereitet auf sein martialisches Spiegelbild stieß. Aber das dauerte stets nur einen Augenblick. Dann war er wieder eins mit sich selber.
    Einige der Firmen, die an der Entwicklung der Ariane Raketen beteiligt sind, schicken besonders verdiente Mitarbeiter zum Start über den Atlantik zum Weltraumbahnhof von Kourou, den sie bewachten. Schach erinnert sich noch, wie Tomm aus dem Fenster des Casinos gestarrt und dabei lauter befremdliches Zeug geredet hat: »Jetzt schauen Sie sich bloß mal diese Gitter an, haben Sie als Junge nicht auch an dem Zeug aus einem Metallbaukasten herumgeschraubt?«
    Wieso einer weiblichen Rakete solch ein Skrotum am Schaft hängt, fragte er Tomm.
    »Sind Sie noch bei Trost, Mann?«, tat der empört. »Diese Booster sind mit mehr als 600.000 Kilo Treibstoff befüllt! Ich frage Sie: 600.000 !! Wo soll sie die denn sonst lassen?«
    Dieser Mensch da ihm gegenüber wusste gar nichts, war ihm klargeworden, jedenfalls nichts über sich selber. Und die Ariane 501 explodierte gleich nach dem Start. Ein paar Tage darauf war seine Dienstzeit vorbei und er mit dem ersten Flug zurück nach Paris. Anfangs ist es ihm in Frankreich blendend gegangen, solange genug vom zurückgelegten Sold da war. Aber jetzt muss etwas geschehen.
    Ob Tomm sich an ihn erinnert? Warum denn nicht? Seine Reise damals wird er kaum vergessen haben – und wahrscheinlich auch nicht den Legionär, mit dem er bei dieser Gelegenheit die Bar geleert hat. Wenn es auch schon ein paar Jahre her ist. Dreizehn, gesteht Schach sich ein, der es mit der Genauigkeit hält. Saubere Linien, bei ihm wird nicht radiert! Dieser Herr Tomm wird Augen machen. Aber er muss sich ja etwas dabei gedacht haben, wenn er ihm seine Karte gegeben hat für die Zeit nach der Legion: Kommen Sie mal vorbei! Und jetzt ist es eben soweit. Ein paar Jahre mehr sind darüber ins Land gegangen, aber was macht das? Irgendwann ist für alles der rechte Zeitpunkt, ob es so unwahrscheinlich ist wie das Glück oder so sicher wie der Tod. Tomm ist nun in leitender Funktion tätig, hat man ihm verraten. Umso besser, denn das bedeutet, er stellt entweder selbst Leute ein oder hat doch wenigstens Einfluss auf die Entscheidungen in seinem Laden – und kennt im Übrigen genügend andere Firmen, die ebenfalls Mitarbeiter brauchen. Sogar jetzt, in der Krise, von der die Zeitungen voll sind und über die in allen Bars diskutiert wird, weil jeder seine Theorie dazu hat, wie sie aussieht, denn kaum einem ist sie bislang wirklich begegnet. Schach schon. Er steht auf vertrautem Fuß mit der Krise, aber schon immer und nicht erst seit gestern.
    Donnerstag. Sonne. Ein leichter Wind spielt mit den abgefallenen Blättern auf dem Rasen. Das Schwierigste ist immer, überhaupt hineinzukommen – vorbei am Abwimmler. Vorgelassen zu werden bei dem, der was zu sagen hat: Hier ist der Exlegionär, mit dem Ihr Boss Bier gesoffen hat, bevor seine Rakete explodiert ist – so braucht er es nicht erst zu versuchen. Wie aber kann er verhindern, gleich abgewiesen zu werden, noch bevor er seine Botschaft an den Mann gebracht hat – an den, der ihm bekannt ist und der ihm seine Karte gegeben hat? Schach ist davon überzeugt, dass er auf die eine oder andere Weise für fast jede Firma ein Gewinn sein kann, das liegt doch auf der Hand, egal, wo sie ihr Aktionsfeld gefunden hat. Wenn man ihn nur lässt. Er ist Praktiker. Ihn hemmt nichts, die Probleme richtig anzufassen. Wer kann noch beherzt zupacken? Die meisten

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