Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
antwortete er: »Keine.«
Nach einem Gespräch im kleineren Kreis fanden wir einen Kompromiss.
Im Arbeitszimmer, 1987
Quelle: A. Palma >
Die Plenartagung, die am 25 . Juni 1987 begann, wurde ein Meilenstein der Perestrojka. Am Anfang stand mein Vortrag »Über die Aufgaben der Partei zur radikalen Umgestaltung der Lenkung und Leitung der Wirtschaft«. Ausgangs- und Angelpunkt des Vortrags war die Demokratisierung, und zwar als der Sinn der Perestrojka und Mittel zur Lösung unserer brennenden Probleme, denn die administrativen Kommandomethoden behinderten uns nur noch. Aber es gab immer noch Rückzugsgebiete. Die Menschen sagten und schrieben uns, dass sie in ihrer Umgebung, in den Städten und Dörfern, in denen sie lebten und arbeiteten, keine Perestrojka sahen.
In meinem Vortrag räumte ich Lebensmitteln, Wohnraum, Konsumwaren und Dienstleistungen Priorität ein und betonte gleichzeitig, alle lebenswichtigen Probleme könnten nur auf dem Wege einer radikalen Wirtschaftsreform gelöst werden. Ich drängte besonders darauf, wie die Interessen der Gesellschaft, des Kollektivs und des einzelnen Arbeiters zu vereinbaren und die Möglichkeiten der Kooperation zu nutzen seien. Mit diesen Fragestellungen wollte ich die Teilnehmer des Plenums von der engen Perspektive der Durchführbarkeit wegbringen und den Ton zu einer Grundsatzdiskussion vorgeben.
Das Plenum bestätigte die Linie der Demokratisierung und die grundlegenden Aufgaben und Methoden der Durchführung der ökonomischen Reformen. Auf diese Weise war die Brücke zur nächsten Etappe der Perestrojka geschlagen – ich meine die 19 . Parteikonferenz der KPDSU .
Auf diesem Plenum wurden auch dringende Kaderfragen gelöst. Sljunkow und Jakowlew stiegen von Kandidaten zu Mitgliedern des Politbüros auf, Nikonow wurde direkt ins Poltitbüro gewählt. Kunajew wurde aus dem Politbüro entfernt, und Verteidigungsminister Sokolow verlor den Status als Kandidat für das Politbüro (im Zusammenhang mit der Angelegenheit von Mathias Rust, der mit seinem Flugzeug auf dem Roten Platz gelandet war). Kandidat für das Politbüro wurde der neue Verteidigungsminister Jasow.
Sowohl 1987 als auch heute schätze ich die Ergebnisse der Plenartagung als Kompromiss ein. Aber für das Bewusstsein der Allgemeinheit waren diese Beschlüsse damals radikal, um nicht zu sagen revolutionär. Vieles hing im Weiteren von der Regierung und den zentralen Wirtschaftsorganen ab, die sich nur widerstrebend änderten. Sie betrachteten die Beschlüsse der Plenartagung als extremes Zugeständnis an die Reformer und als Aufgabe der letzten Bastion des zentralen Plansystems.
Nach dem Plenum war offensichtlich, dass der Entwurf zum Betriebsgesetz verbessert werden musste. Interessanterweise kritisierten die Gegner der Perestrojka in der Folge besonders dieses Gesetz sehr heftig und erklärten es quasi als ersten Anstoß für den Zusammenbruch der Wirtschaft. Das Gesetz war nicht ideal. In gewisser Weise war es geprägt von demokratischer Euphorie. Von einigen Maßnamen, etwa der Wählbarkeit der Direktoren, nahm man bald Abstand. Sein größter Mangel jedoch war die inkonsequente Anwendung des Grundsatzes wirtschaftlicher Selbständigkeit der Unternehmen.
Die größte Überraschung für mich war der Positionswechsel von Nikolaj Ryschkow: »Wenn man den Unternehmen gestattet, ihre Arbeit zu planen, und sie rentabel arbeiten lässt, dann verliert der Fünfjahresplan seinen Sinn.« Der Premier beharrte auf der »Unerschütterlichkeit« der Aufgaben des Fünfjahresplans, obwohl aufgrund der Ergebnisse von 1986 und 1987 klar war, dass es nicht gelingen würde, ihn zu erfüllen.
Ich will mich nicht von Ryschkow lossagen – immerhin haben wir zusammen gehandelt, auch wenn wir nicht selten gestritten haben. Es begann ein Stellungskrieg, in dem die Reform »instinktiver« und bewusster Sabotage ausgesetzt war und in endlosen Streitereien auf der Strecke blieb.
Bekenntnis zur Perestrojka
Seit etwas mehr als zwei Jahren hatte sich das gesellschaftliche Leben unter dem Einfluss neuer Ideen und einer neuen Politik allmählich verändert. Der Bruch zwischen Politik und Gesellschaft wurde immer offenbarer. Ich hatte den Eindruck, dass man uns, dass man mich nicht verstand. Das Außergewöhnliche, das Neue des Geschehens wurde von der Gesellschaft angenommen. In der Führung kam es zu den ersten Unstimmigkeiten. Was hingegen die Beurteilung im Ausland angeht, so wurde die Perestrojka dort heftig
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