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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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dankbar. Aber ich habe schon den Bruch mit einem Mann, an den ich glaubte, hinter mir, ein zweites Mal halte ich das nicht aus. Am besten, wir beenden unsere Beziehung jetzt, bevor es zu spät ist …«
    Lange gingen wir schweigend. Als wir uns der Stromynka-Straße näherten, sagte ich Raissa, ich könne ihre Bitte nicht erfüllen, das wäre einfach eine Katastrophe für mich. Das war eine Liebeserklärung.
    Wir betraten das Heim, ich brachte Raissa zu ihrem Zimmer und sagte ihr, als wir uns trennten, ich erwarte sie in zwei Tagen an derselben Stelle, im Hof des Universitätsgebäudes.
    »Wir sollten uns nicht treffen.«
    »Ich warte da.«
    Zwei Tage später trafen wir uns – und gingen nie wieder auseinander.
    Wenig später erzählte sie mir ihre Geschichte: »Ich war lange mit Anatolij Sarezkij befreundet. Wir wollten heiraten. Seine Eltern lebten in Litauen oder Lettland, sein Vater war Direktor der Baltischen Eisenbahn, ein Eisenbahn-»General«. Die Mutter war eine recht stattliche, eindrucksvolle Dame mit hohen Ansprüchen. Die Brautschau war angesetzt. Die Mutter kam in einem Extrawaggon angereist. Man hatte mich zu diesem Treffen eingeladen. Ich gefiel der Mutter nicht. Anatolij konnte sich nicht gegen sie durchsetzen, es kam zum Bruch. Das war sehr bitter und kränkend für mich. Ich hatte den Eindruck, mein Leben ist zu Ende. Aber meine Freundin fand: Was willst du denn mit so einem Mann anfangen?«
    Doktoranden, Physiker und Mathematiker wussten vom Bruch zwischen Raissa und Anatolij. Reihenweise machten sie Raissa den Hof. Dann kam unsere Begegnung mit den Folgen, von denen ich erzählt habe. Wir hatten uns beide klar entschieden. Raissa ließ sich nicht leicht auf Menschen ein, sie war aber ein treuer Freund. Sie wurde für mich ein treuer Freund und meine geliebte Frau.
    Im Sommer kam es dazu, dass wir uns im Hof des Studentenheims eine ganze Nacht durch bis zum nächsten Morgen unterhielten. In jener Nacht versprachen wir uns, für immer zusammenzubleiben.
    In den Sommerferien fuhr ich nach Priwolnoje und informierte meine Eltern über die bevorstehende Hochzeit. Sie kannten Raissa nicht und hatten sie nicht gesehen, waren aber nicht dagegen. Zuvor hatte ich dem Direktor der Maschinen-und-Traktoren-Station geschrieben und gebeten, in meinem alten Beruf als Gehilfe des Mähdreschermechanikers arbeiten zu dürfen. Ich erklärte, in meinem Leben stünden große Veränderungen bevor und ich bräuchte Geld. Ich erhielt die Erlaubnis. Raissa fuhr in den Ferien nach Baschkirien, sagte ihren Eltern aber nichts.
    So zählten wir nur auf uns selbst und nahmen die Entscheidung der wichtigsten Frage für uns beide selbst in die Hand. Ich kam nach Moskau und brachte Geld mit. Ich war extra früher gekommen, um Raissa abholen zu können. Mein Gott, wie froh waren wir, als wir uns auf dem Kasaner Bahnhof wiedersahen. Die wunderschönen, nie wiederkehrenden Tage der Hochgefühle begannen … Das Hochzeitskleid musste genäht werden, für mich bestellten wir zum ersten Mal im Leben einen Anzug aus dunkelblauem Stoff mit dem köstlichen Namen »Stoßarbeiter«. Vor der Trauung ließen wir ein Foto in einem Kunstatelier an der U-Bahn-Station Kirowskaja machen. Das sind die besten Fotos in unserem Album.
    Studentenhochzeit
    Die Hochzeit sollte an den Novemberfeiertagen stattfinden. Mit dem Standesamt ließen wir uns Zeit. Aber einmal gingen wir Richtung Preobraschenskij-Platz über die Jausabrücke. Gleich hinter der Brücke war das Standesamt des Stadtteils Sokolniki. Ich fragte Raissa: »Sollen wir reingehen?« Sie sagte ja.
    Wir gingen hinein, klärten, welche Papiere wir für die Eheschließung brauchten, und bestellten das Aufgebot. Mit unseren engsten Freunden überschritten wir dann am 25 . September wieder die Schwelle dieser ehrwürdigen Institution, in der wir unter der Nummer RW 047489 die Urkunde darüber erhielten, dass Bürger Gorbatschow, Michail Sergejewitsch, Jahrgang 1931 , und Bürgerin Titarenko, Raissa Maximowna, Jahrgang 1932 , hiermit in den Ehestand getreten sind, was mit den entsprechenden Unterschriften und einem Stempel bescheinigt wurde. Das alles war sehr prosaisch. Nicht so, wie es heute in den Palästen der Eheschließungen üblich ist. Aber es hat nicht ein einziges Jahr gegeben, in dem wir diesen Tag nicht gefeiert hätten. Egal, wo wir uns gerade aufhielten, zu Hause, im Zug, im Urlaub, ja sogar im Flugzeug. Meistens haben wir nur zu zweit gefeiert. Das wollten wir so. Dabei

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