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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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Personalentscheidungen korrigieren.
    Es gibt natürlich auch eine andere Methode, die nicht weniger überzeugend und effektiv ist: den Menschen vertrauen, sie unterstützen, sie nicht auswechseln und nicht bei der Arbeit behindern. Meiner Erfahrung nach – ich werde noch darauf zu sprechen kommen – führt diese Methode im Endeffekt zu besseren Resultaten, und zwar sowohl praktisch als auch, was die Atmosphäre betrifft, die bei einem solchen Führungsstil herrscht. Die Menschen arbeiten nicht aus Angst, sondern auf eigene Verantwortung. Natürlich muss man dabei im Blick haben, dass dieser Stil im Zweifelsfall auch Kompromisslosigkeit und Ehrlichkeit bei der Entscheidung bestimmter Fragen erfordert, insbesondere bei Personalfragen. Mir liegt ein solcher Stil eher. Und ich habe ihn in meiner eigenen Parteiarbeit auch angewandt.
    Fjodor Kulakow gehörte zu der großen Gruppe von Sekretären der Gebiets- und Regionskomitees der Partei, die heimlich ins ZK geladen wurden und sich unweit des Kreml aufhielten, als das Präsidium des ZK tagte, über Chruschtschow debattierte und dem Plenum riet, ihn als Ersten Sekretär abzusetzen und in Pension zu schicken.
    Auch nachdem Kulakow im Dezember 1964 ins ZK der KPDSU versetzt wurde, bewahrten wir unsere guten Beziehungen. Allerdings gab es einen Vorfall, der mit Kulakow und meiner Familie zusammenhing, von dem ich erzählen möchte. Denn auch dieser Vorfall hängt mit menschlichen Schwächen zusammen, die unter dem Führungspersonal verbreitet waren. Ich war, wie gesagt, viel auf Reisen. Manchmal dauerten sie eine Woche, manchmal, bei großen landwirtschaftlichen Kampagnen, auch zwei Wochen. Nach einer dieser Reisen kam ich nach Hause und ging sofort unter die Dusche. Ich machte eine Pause und ging nicht sofort wieder zur Arbeit. Ich wollte meine Eindrücke sortieren und mich ein wenig erholen, vor allen Dingen ausschlafen.
    Raissa fragte mich lange aus, wie es war. Sie hörte mir zu und sagte dann: »Bei uns gibt es auch Neuigkeiten.«
    »Was heißt ›bei uns‹?«
    »Bei mir.«
    »Und was für welche?«
    Es war Sommer, sie war im Urlaub gewesen.
    »Vor ein paar Tagen hat mich Kulakow angerufen.«
    »Und worüber habt ihr gesprochen?«
    »Er wollte ein Rendezvous mit mir.«
    »Wie bitte?«
    »Ja. Ich sagte: ›Sie kennen doch mein Verhältnis zu Michail.‹ – ›Ja, das können Sie ruhig weiterführen‹, sagte Kulakow. ›Das ist bei uns nicht üblich‹, habe ich zu ihm gesagt und den Hörer aufgelegt.«
    »Ein interessantes Gespräch. Ich muss ihn fragen, was das heißen soll.«
    »Bloß nicht. Ich habe ihm geantwortet und es dir erzählt, damit es kein Geheimnis für dich ist.«
    Doch bei einem Treffen stellte ich Kulakow zur Rede: »Haben Sie vor kurzem Raissa angerufen?«
    Er zögerte, wand sich aber heraus. »Ich habe dich gesucht. Ich dachte, du seist zurück, und wollte fragen, welche Eindrücke du nach Hause gebracht hast.«
    Zum ersten Mal erzähle ich von dieser Episode. Sie liegt lange zurück, Fjodor Kulakow lebt nicht mehr.
    Leonid Jefremow
    Mit Kulakows Weggang zum ZK tauchte die Frage nach einem neuen Ersten Sekretär des landwirtschaftlichen Regionskomitees der Partei auf. Für dieses Amt wurde Leonid Jefremow zu uns geschickt. Das Plenum hatte ihn gewählt. Jefremow war ein in der Partei und in unserem Land bekannter Mann. Er hatte langjährige Erfahrung als Zweiter Sekretär und Vorsitzender des Gebietsexekutivkomitees von Kujbyschew (heute: Samara), als Erster Sekretär des Gebietskomitees von Kursk und Gorkij (heute: Nischnij Nowgorod). 1962 war er Erster stellvertretender Vorsitzender des Büros des ZK der KPDSU der Russischen Föderation geworden. An der Spitze dieses Büros stand Chruschtschow persönlich, aber die laufende Arbeit erledigten die Stellvertreter Jefremow und Kirilenko. Sie waren gleichgestellt und gehörten zum Präsidium des ZK der KPDSU .
    An der Vorbereitung der »Palastrevolution« des Jahres 1964 war Jefremow nicht beteiligt. Später erzählte er mir, er sei während der Ereignisse wohl auf Dienstreise in Ulan-Ude gewesen. Man hatte ihn vorher nicht über das Plenum des ZK informiert, und als er davon erfuhr, sei er zum Flughafen gestürzt, wo man ihm sagte, das Flugzeug sei nicht in Ordnung, der Abflug verzögere sich. Diese Verzögerung war zweifelsohne geplant: Jefremow galt als leidenschaftlicher Anhänger Chruschtschows. Kurz vor diesen Ereignissen hatte Chruschtschow eine Reise quer durch Russland unternommen, auf der

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