Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
Parteikomitees der verschiedenen Ebenen durchgeführt. Diese Treffen bildeten die »Unterstützungsbasis«. Auch die Sicht auf die individuelle Hauswirtschaft des Bauern wandelte sich. Während diese vorher als schädlicher »Privatsektor« galt, wurde sie nun als organischer Bestandteil des agrarindustriellen Komplexes betrachtet, der die Produktion der Kolchosen und Sowchosen ergänzte.
Besonders wertvoll war die Unterstützung der Ersten Sekretäre der Gebiets- und Regionskomitees und des ZK der Republiken. Ihr Interesse, das bei vielen Treffen zu spüren war, bestärkte die Hoffnung auf einen Erfolg bei der Plenartagung des ZK der KPDSU , die auf den Mai 1982 angesetzt war.
Machtwechsel
Doch ausgerechnet auf dem Höhepunkt meiner Arbeit am Lebensmittelprogramm, die meine Zeit und Kräfte vollständig beanspruchte, trat eine Änderung an der obersten Spitze der Partei ein. Am 25 . Januar 1982 starb Suslow. Sein Tod verschärfte den unterschwelligen Kampf innerhalb der politischen Führung. Suslow, der nie auf den Posten des Generalsekretärs spekuliert hatte und Breschnew gegenüber absolut loyal war, hatte eine stabilisierende Rolle gespielt und die Konfrontation der unterschiedlichen Kräfte und Charaktere in gewissem Maße neutralisiert, und das viele Jahre lang. Wenn Suslows Rolle für die Geschichte unseres Landes eingeschätzt wird, übersehen das viele. Da ist eine klischeehafte Vorstellung von Suslow im Spiel. Man tut ihm unrecht, wenn man ihn wegen seiner Grausamkeit in ideologischen Fragen, die man ihm zu Recht nachsagt, für eine finstere Figur und einen Reaktionär hält.
Nun lebte Suslow nicht mehr. Die erste Frage war, wer tritt an seine Stelle? Im Grunde ging es um den Nachfolger Breschnews, um den »Zweiten« Sekretär, der traditionsgemäß mit der Zeit zum »Ersten« Sekretär aufstieg, sich schon zu Lebzeiten des Generalsekretärs allmählich der Hebel der Macht bediente und die Führung übernahm. Natürlich hing die Lösung dieser Frage in vielem von Breschnew selbst ab. Doch dieser war schon in einem solchen Zustand, dass er das Geschehen nicht mehr angemessen aufnehmen konnte. Der Einfluss Tschernenkos, der nie von Breschnews Seite wich, war groß.
Ich habe mir damals und auch jetzt wieder die Frage gestellt: Wie und warum beeinflussten Tschernenko und sein Kreis den Generalsekretär so stark? Tschernenko hatte mehr als alle anderen für das Image von Breschnew getan und sich für das Bild eines herausragenden, unersetzlichen Politikers stark gemacht. Um Tschernenko scharte sich eine Gruppe von Leuten, die die Massenmedien, die ideologischen Strukturen der Partei und die Parteikomitees entsprechend instruierten. Dank dieses Grüppchens war die Rede von der »allgemein anerkannten Führungspersönlichkeit«, dem »gewaltigen Theoretiker«, dem »hervorragenden Kämpfer für Frieden und Fortschritt«. Wenn man weiß, dass Breschnew in der letzten Zeit nur ein paar Stunden pro Tag arbeiten oder zur Arbeit erscheinen konnte, so kann es nicht leicht gewesen sein, den Anschein dieser aktiven Tätigkeit zu vermitteln. Aber Tschernenko schaffte das, und Breschnew gefiel es.
Um das Kräfteverhältnis nach Suslows Tod zu analysieren, wägte man die Chancen einiger Politbüromitglieder ab, vor allem die von Kunajew oder Schtscherbizkij. Einer der Mitarbeiter, die Breschnew halfen, erzählte mir einmal von einer Episode während eines Empfangs von Schtscherbizkij bei Breschnew. Schtscherbizkij, Erster Sekretär des ZK der Kommunistischen Partei der Ukraine, erzählte lange von der Ukraine, die eine wirklich sehr bedeutende Republik war und in der viel passierte. Gerührt und zufrieden über das, was er gehört hatte, zeigte Breschnew beim Abschied auf seinen Sessel und sagte: »Wolodja, das ist der Platz, den du nach mir einnehmen wirst.«
Das war im Jahr 1978 , Schtscherbizkij war gerade sechzig geworden. Das war kein Scherz oder eine momentane Schwäche. Breschnew hegte tatsächlich eine alte Vorliebe für Schtscherbizkij. Sobald er an die Macht gekommen war, holte er ihn aus Dnepropetrowsk, wohin Chruschtschow ihn abgeschoben hatte, und erreichte seine Ernennung zum Vorsitzenden des Ministerrats der Ukraine und später – gegen Schelest – zum Politbüromitglied. Schtscherbizkij war ein großer Politiker, »leitete« seine Republik sicher, und, was die Hauptsache war, er stand, wie er sich selbst auszudrücken pflegte, fest »zu den Positionen Bogdan Chmelnizkijs«. So etwas wurde hoch
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