Allie setzt sich durch - Band 3
du auch tun. Keins von den Güterwagen-Kindern geht mit irgendwem.«
»Das stimmt«, pflichtete Joey mir bei.
Zum Glück klingelte es in diesem Augenblick. Ich sprang von der Schaukel und rannte los, um mich zum Reingehen anzustellen, und beendete diese Unterhaltung. Auf der Stelle bedrängten mich die Mädchen, um zu erfahren, was Joey und ich geredet hatten.
»Ich habe natürlich gesagt, dass ich nicht mit ihm gehen will«, berichtete ich leise, weil ich nicht wollte, dass Joey das hörte und sich blamiert fühlte. Denn wenn ich in der letz - ten Reihe eins gelernt habe - und ich glaube kaum, dass Cheyenne und die Mädchen, die so gern das Kuss-Spiel gespielt haben, es auch kapiert haben -, dann, dass Jungen auch Menschen sind.
Oh ja, ich sage auch oft, Jungen haben keine Gefühle. Aber
das stimmt natürlich nicht. Natürlich haben sie Gefühle. Nur kommen Jungen über ihre Gefühle schneller weg als Mädchen. Sie fühlen kurz und das war’s dann.
Mädchen dagegen fühlen und denken dann über ihre Gefühle nach. Vielleicht schreiben sie über diese Gefühle in ihr Tagebuch. Dann rufen sie ihre beste Freundin an und reden über ihre Gefühle. Möglicherweise besprechen sie ihre Gefühle auch noch mit ihren Stofftieren oder mit dem Plüsch-Einhorn mit den Regenbogen-Flügeln. Oder sie spielen ihre Gefühle vor dem Badezimmerspiegel nach, mit einem Kopfkissen, das als ihre beste Freundin herhalten muss. Und wenn das immer noch nicht hilft, spielen sie ihre Gefühle mit ihren Puppen nach, oder mit Tierfiguren aus Glas oder den Bewohnern des Puppenhauses und auch noch mit den Barbies …
Als wir in Raum 209 unsere Jacken wieder auszogen und Cheyenne so hochnäsig wie eben möglich fragte: »Und? Hast du es ihm gesagt?«, da drehte ich durch. Wirklich, ich konnte einfach nicht mehr. Das meine ich wirklich so, ich konnte einfach nicht mehr.
Ich brüllte: »Ja, Cheyenne! Ich habe Nein gesagt! Ich habe Joey gesagt, ich mache es nicht! Alles klar? Ich gehe nicht mit ihm! Ich gehe mit gar keinem! Und du kannst mich nicht dazu zwingen! «
Cheyenne warf mir einen supergemeinen Blick zu und sagte leise: »Dann musst du die Konsequenzen tragen, das ist dir hoffentlich klar? Ab jetzt wird keiner mehr Allie zu dir sagen,
sondern Baby! Baby Finkle, das ist dein neuer Name. Baby Finkle. Ich hoffe, er gefällt dir.«
Marianne, die direkt neben Cheyenne stand, hörte mit und fing an zu lachen. »Baby«, sagte sie. »Baby Finkle! Das ist witzig!«
Ich weiß nicht genau, was dann passiert ist. Irgendwie war Cheyenne zu weit gegangen. Dabei hatte ich schon schlimmere Spitznamen als Baby Finkle bekommen. In meiner alten Schule haben sie wochenlang Stinkle Finkle zu mir gesagt. Das ist schlimmer als Baby Finkle.
Aber heute riss mir wegen Cheyenne der Geduldsfaden. Ich konnte nicht mehr! Vielleicht lag es daran, weil Joey so traurig geguckt hatte, als ich sagte, ich würde nicht mit ihm gehen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir bei den Schaukeln ein richtig nettes Gespräch geführt hatten. Wir hatten uns gestanden, dass wir am liebsten weglaufen und wie die Güterwagen-Kinder in einem Güterwaggon leben wollten (trotzdem wollte ich nicht mit Joey Fields in einem Güterwaggon leben).
Dadurch, dass Cheyenne so gemein war, wirkte das alles plötzlich so … keine Ahnung, so blöd. Dabei war es nicht blöd gewesen, sondern nett. Da bin ich geplatzt.
»CHEYENNE!« Alle erstarrten. »CHEYENNE!«, brüllte ich. »DU BIST NICHT MEINE CHEFIN UND DU HAST MIR NICHTS ZU SAGEN, ALSO HÖR GEFÄLLIGST SOFORT AUF DAMIT! LASS DIR JA NICHT EINFALLEN, MICH ODER EINE MEINER FREUNDINNEN
JE WIEDER ›BABY‹ ZU NENNEN, SONST KNALLT ES! KAPIERT?«
Cheyenne fielen vor Schreck beinahe die Augen raus. Genau genommen blieb allen in Raum 209 der Mund offen stehen, weil ich so laut gebrüllt hatte und wegen dem, was ich gesagt hatte. Doch niemand sah auch nur annähernd so geschockt aus, wie die Person, die in der Tür zu unserem Klassenraum stand.
» Allie Finkle! « Mrs Hunter funkelte mich mit ihren grünen Augen an. Ich hatte sie noch nie so entsetzt gesehen. Oder so sauer.
Regel Nummer 11
Rede leise mit deinen Mitschülern
Mrs Hunter schickte mich nicht zur Direktorin. Bei jedem anderen hätte sie es wahrscheinlich getan. Aber ich hatte mir in ihrer Klasse noch nie was zuschulden kommen lassen (außer mit Erica zu schwätzen). Außerdem glaube ich nicht, dass sie gehört hatte, was ich gesagt hatte, sondern nur die Dezibel (das heißt
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